Dankenswerterweise holt Sonnenbichler diesen viel zu vergessenen französischen Autor aus der Versenkung. Autor und Jazz-Trompeter Boris Vian gehörte zu dem Kreis um die Philosophen Jean Paul Sartre und Simone de Beauvoir in Paris in den 40er Jahren. „Die Gischt der Tage“ (L’Écume des Jours) rechnet mit surrealen Elementen gnadenlos mit der oberflächlichen, auf Geld und Konsum orientierten Gesellschaft ab. Bitterböse auch die Abrechnung von Autor Vian mit Jean-Paul Sartre, dem großen „Mandarin von Paris“ (de Beauvoir), der Vian im damaligen Paris der Intellektuellen, Jazzmusikern und Surrealisten (zwischen 1920 und nach 1940) die Frau ausspannte : Sartre heißt hier Jean Sol Partre, sitzt da gegen Ende mit großem Kopf und Pfeife (der von Magritte?) und Alise (ausgezeichnet: Fnot Taddese) reißt ihm das Herz heraus - es ist eben ein surreales Stück.
Der flüchtige Schaum und Schein
Zu Beginn begeistert Koch Nicolas (Jürgen Sarkiss) Colin und Freund Chick mit ausgefallenen, ziemlich dekadenten Gerichten. Colin (Sebastian Tessenow) führt sein Drink-Piano vor, das aussieht wie eine Musicbox und Cocktails nach den gespielten Melodien fertigt. Es ist der Schaum, die Gischt der Tage, die Wasser-Luft-Bläschen, die der Sturm von den Wellenkämmen bläst, die nichts tragen, die schnell vergehen.
Jazz-Trompeter auf der Bühne
Ein großes Lob, neben allen Darsteller*innen, gebührt dem Jazz-Trompeter Richard Koch, der während des gesamten Stücks auf der Bühne mit-spielt. Seine Intonation trifft den Ton auch des Jazz der damaligen Zeit. Schließlich war Vian auch mit Miles Davis und Duke Ellington bekannt.
Bei all der überschäumenden Phantasie des Autors, die die Darsteller*innen so spielfreudig und wunderbar auf die Bühne bringen, ist das auch eine Parabel über die Gesetze des Marktes, über den Menschen, der nur nach seiner Verwertbarkeit beurteilt wird. Dramaturg Stijn Reinhold weist darauf hin im wie immer sehr informativen Programmheft.
Surreale Videobilder
Denn neben Colin, der schließlich Pleite ist und Hilfsarbeiten annehmen muss, scheitert auch sein Freund Chick (ausgezeichnet: Jonas Friedrich Leonhardi): Er hat alles Geld für Bücher von Jean Sol Partre ausgegeben und verliert so auch die Liebe von Alise, die wegen seiner Leidenschaft auch alle Bibliotheken abbrennt.
Auf teils transparenten Vorhängen zeigt ergänzend Videokünstler Stefano Di Buduo (auch Bühne) teils dahinfließende, phantasievolle Bilder, die an Figuren von Max Ernst, de Chirico oder auch Rene Magritte erinnern: Künstler des Surrealen, die zeitweise auch in Paris lebten.
Jubel und sehr langer Applaus mitvielen „Vorhängen“ nach zwei Stunden Theater-Erlebnis.
Regisseurin Bernadette Sonnenbichler, noch Oberspielleiterin in Düsseldorf, wird leider nach der Spielzeit 2026/ 27 Intendantin am Theater Heidelberg werden.
Besetzung
Chloé Sophie Stockinger
Colin Sebastian Tessenow
Alise Fnot Taddese
Chick Jonas Friedrich Leonhardi
Nicolas Jürgen Sarkiss
Jazz-Trompete Richard Koch
Regie Bernadette Sonnenbichler
Bühne und Video Stefano Di Buduo
Kostüm Tanja Kramberger
Musik Max Braun
Licht Christoph Stahl
Dramaturgie Stijn Reinhold
Dauer
2 Stunden — keine Pause
Termine und Karten-Bestellung unter www.dhaus.de