Nachbetrachtung zu „Terror“ im Fernsehen

„Terror“ - Fehler des Stücks, Irrtümer und Zahlen

Von Jo Achim Geschke |

Screenshot Artikel NDOZ.de

Der Film „Terror“ hat durch seine Aufforderung zur Abstimmung der Zuschauer über ein Gerichtsurteil viele Kommentare im Netz ausgelöst, so auch zum gestrigen Artikel von NDOZ.de „Terror oder ein Fehlurteil“. Leider hat die ARD mit dieser Abstimmung und der anschließenden Diskussion eher eine Gerichtshow a la Privatsender gebracht. In einem Nachtrag bringen wir einige Zahlen und Klarstellungen etwa von Bundesrichter Professor Thomas Fischer zum Film.

Laut Medienberichten sollen rund 6 Millionen zu Beginn der vermeintlichen Gerichtsverhandlung zugesehen haben. Gegen Ende seien es nur noch 4 Millionen gewesen. Heißt: Rund 2 Millionen haben weg geschaltet.

An der Abstimmung haben, so meldete es etwa die „Aktuelle Stunde“, 690.000 Zuschauer teilgenommen. Das ist für die Zuschauerzahl wenig, einige sind auch per Telefon nicht durchgekommen. (Ich habe per Internet abgestimmt: „schuldig“.)

In einem Kommentar zum NDOZ.de Artikel „Terror oder ein Fehlurteil“ wurde auch betont , das dies eigentlich ein Theaterstück sei (richtig), dass wie eine griechische Tragödie ein Dilemma schildere und ein großes menschliches Thema. Das ist leider nicht richtig.

Dadurch, dass es zum Film wurde in einem Massenmedium, steht es in einem ganz anderen Kontext. Der Film arbeitet – etwa durch Nahaufnahmen der Schauspieler – mit ganz anderen Mitteln als das Theater. Und erreicht so eine wesentlich höhere emotionale Anteilnahme der Zuschauer. Weil der Film die Zuschauer schließlich im Glauben lässt, sie könnten über ein Urteil „abstimmen“, und das massenhaft, ist dies eine Fehlleistung des Senders. Heribert Prantl, ehemaliger Staatsanwalt und bekannter Kommentator in der Süddeutschen Zeitung, nennt das in einem Verriss „Terror als Populisten-Porno“.

Der Autor des Stücks, Ferdinand von Schirach, ist als Jurist wohl auch Verteidiger gewesen. Dann aber hat er mehrere grobe handwerkliche Fehler gemacht. Zum einen könnte jeder aufmerksame Zuschauer von „Tatort“ oder „Polizeiruf 110“ bemerken, dass der Angeklagte Pilot gar nicht des Mordes angeklagt werden kann, sondern höchstens des Totschlags. Denn zum „Mord“ fehlte beispielsweise das Element Heimtücke und „niedere Beweggründe“.

Paragraf 211 StGB – Absatz 2: „(2) Mörder ist, wer

aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder

um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken, einen Menschen tötet.“

Der im Film (vom Verteidiger) zitierte Text von Emanuel Kant ist zudem falsch dargestellt. Im Stück geht es um die Frage der Ethik, ob jemand lügen darf, wenn an seiner Tür ein Mann fragt, wo der Freund wohnt, um den umzubringen. Kants Aufsatz „Über ein vermeintes Recht aus Menschenliebe zu lügen“ von 1797 ist allerdings eine juristische Betrachtung, und das wird im Stück nicht richtig dargestellt.

 

NDOZ.de hat im Artikel „Terror oder: Ein Fehlurteil“ die Hintergründe des Falls dargelegt, nämlich die Klage von Gerhart Baum und Burkhardt Hirsch gegen das „Flugsicherheitsgesetz“ von 2005. Und 2006 hat das Verfassungsgericht den strittigen Absatz 3 des § 114 als nicht vereinbar mit dem Grundgesetz beurteilt. Zitat „§14 Absatz 3 des Luftsicherheitsgesetzes vom 11. Januar 2005 (Bundesgesetzblatt I Seite 78) ist mit Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 in Verbindung mit Artikel 87 a Absatz 2 und Artikel 35 Absatz 2 und 3 sowie in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig.“

 

Der Vorsitzende Richter am Bundesgericht und Strafrechtsexperte Professor Thomas Fischer (63) hat in seiner ZEIT-Kolumne „Fischer im Recht“ eine – wie üblich bei ihm teils auch polemische - Bewertung des Stücks aus juristischer Sicht veröffentlicht. Die Kolumne ist lesenswert, weil sie neben der gut formulierten Polemik tiefgreifend die juristischen Fehler des Autors von Schirach darlegt. Und ganz nebenbei klarstellt, dass Zuschauer als Laien kaum in der Lage sein können, ein Urteil zu fällen.

 

"Terror" – Ferdinand von Schirach auf allen Kanälen!

Darf das Fernsehen elementare Rechtsfragen so lange verdrehen, bis ein Film daraus wird? Ein Lehrstück über den Missbrauch des lieben Zuschauers“

Zitate: „Der Film stellt – im Verhältnis 1 : 1 nach der Vorlage des Theaterstücks – ein schwieriges Rechtsproblem dar. Er behauptet – wie der Autor Schirach –, das geltende Recht unseres Staats habe für dieses Problem keine Lösung. Das aber ist falsch. Und zwar nicht nur ein kleines bisschen, nicht nur im Rahmen dessen, was "Künstler" gemeinhin als belanglose "Paragrafen-Reiterei" abtun (solange es nicht um ihre eigenen Gagenverträge geht). Sondern richtig grundfalsch. Im Sinne von: abwegig, fernliegend, irreführend. Das Gegenteil nämlich ist richtig.“

Das der Pilot gesetzeswidrig gehandelt hat, ist eindeutig. Lassen wir mal den eigentlich schwerwiegenden Fehler beiseite, dass dem Zuschauer vom Autor von Schirach vorgegaukelt wird, es werde über eine „Mord“-Anklage geurteilt. Aber der Zuschauer wird auch nicht darüber aufgeklärt, dass das Gesetz für diese Tötung von Menschen in einem Flugzeug eindeutig einen Gesetzesverstoß sieht und das Gericht darüber nicht hinwegsehen kann. Durch Film und Theaterstück wird auch verschwiegen, dass es eine milde Strafe geben kann. Und der Zuschauer gar nicht über „schuldig“ oder „nicht schuldig“ abstimmen kann – weil es ja ganz klar ein Gesetzesverstoß (womöglich Totschlag in einem minderschweren Fall) ist. Da gibt es kein „nicht schuldig“ - das gibt es nur bei amerikanischen Gerichtsverhandlungen mit Geschworenen.

Alles weitere führt Bundesrichter Professor Fischer bestens aus.

Und weil es so gut formulierte Polemik ist (Fischer hat auch Germanistik studiert), noch ein Zitat von „Fischer im Recht“:

„Der Autor Schirach ist bekannt geworden als Verfasser von Büchern, die angeblich authentische Fälle nacherzählen, welche der Verfasser als "Strafverteidiger" erlebt zu haben behauptet. Ich will mich auf diese Karl-May-Debatte nicht einlassen und mir ist es egal, ob der "Bärentöter" des Rechtsgelehrten Schirach handgeschnitzt ist oder aus dem Baumarkt stammt. Nur treffen sollte er gelegentlich. Daran mangelt es leider in bedenklichem Maße.“

www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2016-10/ard-fernsehen-terror-ferdinand-von-schirach-fischer-im-recht

Der Artikel von NDOZ.de

„Terror“ – Zuschauer urteilen über einen Fernsehfilm -

„Terror“ oder : Ein Fehlurteil