Molières Menschenfeind in der Fassung von Botho Strauß

Der Menschenfeind oder Wie aktuell ein 359 Jahre altes Stück sein kann

Von Jo Achim Geschke |

Der Menschenfeind D Haus

Der Menschenfeind, Markus Danzeisen, Minna Wündrich, Heiko Raulin, Rainer Philippi, Caroline Cousin, Cathleen Baumann/ Foto © Thomas Rabsch, D Haus

Sie kann ganz schön gehässig sein, diese Céliemène, die Minna Wündrich hinreißend spielt. Aber gehässig ist sie nur in einigen Briefen, und nicht offen. Dennoch liebt sie Alceste, der ansonsten bekanntlich gegen alle Heuchelei und Falschheit ist. „Der Menschenfeind“ von Molière stammt von 1666, also vom Hofe Ludwig XIV – aber wir kennen das, oder ? Die Inszenierung von Regisseur Sebastian Baumgarten führt uns unaufdringlich und unterhaltsam durchaus auch ins Düsseldorf oder ins Sauerland der Jetztzeit.

Wir müssen gar nicht ins alte Frankreich blicken - es reicht eine  Vernissage oder ein Treffen in Oberkassel, eine Lesung in Flingern … Düsseldorf ist ja eine Fassadenstadt. Oder sie schauen sich eine der vielen Talkshows an, in der keine der Aussagen sofort auf die Waage des Faktischen gelegt wird. Die Hofgebräuche Ludwig XIV. sind als Kommunikationsform allgegenwärtig. Nicht nur in amerikanischen Ballsaal-Phantasien.

Eine hinreißende lautmalerische Pantomime

Höhepunkte des komödiantischen Theaters im „Menschenfeind“ am Schauspielhaus sind sicherlich zum Einen die lautmalerische Pantomime – bei der Commedia Dell ‘arte auch „Grammelot“ genannt -  von Minna Wündrich /  Céliemène :  Sie steht da und gurrt und gurgelt und stöhnt und brabbelt unverständlich aber melodiös, und untermalt das mit Armbewegungen, während auf einem kleinen Schild an der Bühne ihr Text erscheint: Sie kann sich nicht zwischen zwei Männern entscheiden.

Und Carolin Cousin glänzt als Éliante, Cousine von Céliemène, die durchaus sagt: „Ich wünschte, es wären alle so wie er…“ aber eben doch nicht mit ihm mitgehen will.  Und auch Rainer Philippi spielt sein komödiantisches Können aus, freut sich „Ich bin ein Glückspilz“ und spielt nicht nur auf Amerika an: „Ich bin ein Waffennarr, ich habe Geld“.

Den Darstellern wird auch Akrobatisches abverlangt, wenn etwa Oronte /  Sebastian Tessenow  die Rückwand der Bühne senkrecht hinabschreitet  (am Seil gesichert, selbstverständlich) und dabei gelbe Fußspuren hinterlässt (Bühne Thilo Reuther).

Oronte ist jener, der Céliemène leibt, aber Alceste ein Gedicht vorlegt zur Beurteilung. Das ist keine gute Idee, Alceste verreißt den Text. Und bekommt von Oronte eine Anzeige, es gibt einen Prozeß. Den Alceste, der gar nicht komische, gar nicht humorvolle,   der nie falsche Komplimente machen will, etwas später verliert.

Die verräterischen Briefe

Der eigentliche Skandal sind aber die Briefe von Céliemène an verschiedene Liebhaber, die bald auftauchen, und in denen sie sich über alle ihre Verehrer lustig macht.  Auch über Alceste. Wobei sich die Witwe Céliemène  durchaus als emanzipierte Frau zeigt und meint: Na und. So lästern doch alle.

Nicht ins Sauerland

Alceste ist frustriert, er hat Prozesse verloren, weil er seine Meinung ehrlich geäußert hat: „Ich geh ins Sauerland.“  Unnd weil er unverändert in Céliemène verliebt ist, bittet er sie, mitzukommen. Céliemène aber meint: Ich gehe vielleicht mit euch – aber nicht ins Sauerland.

Alceste geht, aber Céliemène und Éliante und alle Männer gehen tanzend ab, während ein schwarzer Ballon aufsteigt mit der Aufschrift „Fin“.

Langer Beifall und Jubel.

Weitere Termine und Kartenbestellung unter

https://www.dhaus.de/programm/spielplan/der-menschenfeind/1946/

Der Menschenfeind, Komödie von Molière, in der Fassung von Botho StraußDein 

Besetzung

Alceste, Geliebter Céliemènes Claudius Steffens

Philinte, sein Freund Heiko Raulin

Oronte, Geliebter Céliemènes Sebastian Tessenow

Céliemène, Alcestes Geliebte Minna Wündrich

Arsinoé, ihre Freundin Cathleen Baumann

Éliante, Céliemènes Cousine Caroline Cousin

Acaste, Marquis Rainer Philippi

Clitandre, Marquis Markus Danzeisen

Live-Musik Jovan Stojšin

Regie Sebastian Baumgarten

Bühne Thilo Reuther

Kostüm Tabea Braun

Komposition Thies Mynther

Videodesign Philipp Haupt

Licht Jean-Mario Bessière

Dramaturgie Robert Koall