Kleiner Mann - was nun? von Hans Fallada, Premiere - Kritik

Falladas „Kleiner Mann – was nun“ im Schauspielhaus

Von Jo Achim Geschke |

Klainer Mann Fallada

Lea Ruckpaul und André Kaczmarczyk in „Kleiner Mann – was nun?“/ Foto © Thomas Rabsch D´Haus

Sie rennt und rennt und kraxelt im Hamsterrad hoch, mit dickem schwangeren Bauch, und dabei berichtet Emma (Lea Ruckpaul) keuchend von der vergeblichen Wohnungssuche in Berlin. Ihr Mann, Hannes Pinnneberg (André Kaczmarczyk) hatte seinen Job als Angestellter verloren. Die Vermieter:innen aber, sie wollen kein Kindergeschrei, und die kleinen Zimmer sind teuer… Eine Parallele zwischen Falladas Stück vom Jahr der Weltwirtschaftskrise 1932 und heute, gerade in Berlin. Aber diese Parallelen lässt die Inszenierung bei der Premiere nur erahnen. Lea Ruckpaul als Emma, Kaczmarczyk als letztlich verzweifelter Pinneberg und Sebastian Tesssenow als zweifelhafter Jachmann erhalten nach zwei Stunden hoch verdient Jubel und standing ovations für ihr sagenhaftes Spiel.

Emma Mörschel  (Lea Ruckpaul ) eröffnet ihrem Freund Hannes „Anfang zweiter Monat“, und der ist erst mal gar nicht begeistert. Sie ist Realistin, und meint zu Hannes im Anzug mit Weste, „das Einkommen ist doch gar nicht so schlecht.“ Und Hannes meint dann auch „gar nicht so schlecht“. Wenn Emma / Ruckpaul dann sagt, „Ich schaff das schon“, dann ist das kennzeichnend für die Rollenverteilung und Charakterisierung im Stück.

Fallada schrieb den kleinen Mann als Roman. Regisseur Tilmann Köhler und Dramaturgin Felicitas Zürcher richteten den Text für die Bühne ein. Kaczmarrczyk ist der erst optimistische, dann immer depressivere Hannes, der meint, er müsse als Mann der Starke sein, und scheitert letztlich, denn die Verhältnisse, die sind nicht so. Hannes, inzwischen mit Ehefrau und „Murkel“ meint, wie so viele, es müsse eben aufwärts gehen. Das meinen auch heute noch viele, doch da fällt einem gleich ein Gedicht von Enzensberger ein, „wo es aufwärts geht, aber nicht vorwärts“ („Landessprache“).

Lea Ruckpaul ist für die Emma die Idealbesetzung: Sie spricht als Emma in jenem ganz leichten Berliner Ton, doch da klingt etwas mit: diese schnoddrige lakonische Realitätssicht. Und diese Stärke, die soviel Verständnis hat für Träumereien.

Die beiden heiraten, er verliert den Job,  zieht mit Emma und „Murkel“ zur etwas schwierigen Mutter und ihrem Liebhaber Jachmann (Sebastian Tessenow). Die Rollen der anderen Personen außer den Dreien mit Jachmann werden von Ruckpaul und Kaczmarczyk pantomimisch und textlich dargestellt. Herrlich, wenn Hannes den Chef oder auch die gezierte Gestik der Mutter nachahmt, oder Ruckpaul Vermieterinnen nachmacht, die die schwangere bei der Wohnungssuche abwimmeln.

Hannes bekommt einen neuen Job als Verkäufer, da muss er eine Quote erfüllen, Mäntel und Hosen verkaufen für mindestens 500 Mark. Sein Gehalt: 170 Marrk …das reicht nicht für alles, und der Murkel braucht ja auch zu essen … „die Frau und der Murkel brauchen Bananen“, hat Hannes schon mal gesagt.

Es geht weder aufwärts noch vorwärts, und Hannes steht schließlich auf der Straße, verzweifelt, antriebslos, depressiv.

Großartig die Schlussszene, wenn Emma auftaucht, sorgenvoll ihren auf der Straße herumhängenden Hannes sucht, und schließlich beide sich Arm in Arm und Kopf an Kopf wiederfinden. Beide, Ruckpaul und Kaczmaryk, tragen das Stück von den ersten Schritten im Hamsterrad (Bühnenbild Karoly Risz).

Was fehlt

Den Roman in eine zwei Stunden Bühnenfassung zu bringen, war für Zürcher und Regisseur Köhler schon eine Aufgabe.  

Klar ist, dass die heutige Zeit nicht mit der Zeit 1932 im allgemeinen verglichen werden kann. Aber was der Inszenierung schon fehlt ist eine kritische Auseinandersetzung mit den heutigen Verhältnissen,  die hier im Stück der Neuen Sachlichkeit nur aufgezeigt werden. Es wird beschrieben – aber es gibt ja Schlussfolgerungen, über die diskutiert werden kann. Und sollte. Die dringend nötig sind heute zur Einordnung.

Es gibt Ähnlichkeiten etwa bei Emma, die ja mit dickem Bauch als Schwangere das Rad hinaufklettert auf Wohnungssuche  bis zum Umfallen und die von Vermieterinnen abgewiesen wird immer wieder weil sie schwanger ist oder weil niemand Kinderlärm hören will – das soll es ja heutzutage auch geben.

Parallelen zu heute wäre etwa die prekäre Beschäftigung, denn auch heute haben Menschen 3 Job die minimal bezahlt werden, weil sie sonst nicht über die Runden kommen, und heute zahlen Menschen bis zu 40oder 50 % ihres Einkommens an Miete.

Lea Ruckpaul, André Kaczmarczyk und Sebastian Tessenow erhalten vom Publikum schließlich zu Recht lang anhaltenden Beifall, Jubel und stehende Ovationen für ihr großartiges Spiel.

 

Weitere Vorstellungen und Karten unter www.dhaus.de

Kleiner Mann was nun

: Lea Ruckpaul und André Kaczmarczyk in „Kleiner Mann – was nun?“/ Foto © Thomas Rabsch D´Haus