Reformationstag und was? Hallo wen?

Heute ist Reformationstag, gruseln können wir uns täglich – ein Nachdenkstück

Von Jo Achim Geschke |

„Philosophenschule“ im Vatikanischen Museum in Rom / Foto (C) Jo Achim Geschke

Jaja, alle reden von der amerikanischen Art, alle Welt gruseln zu lassen. Halloween? Aber es ist Reformationstag. Schon vergessen? Eine Erinnerung an einen Tag vor rund 500 Jahren, der unsere Welt verändert hat. Im Gegensatz zu den Amerikanern intellektuell veränderte, die Reformation, die „Thesen“ Luthers und die Aufklärung haben Europa ja nicht nur in einen Glaubenskrieg gestürzt. So ungefähr ab 31. Oktober 1517 hat sich das europäische Denken hin zu einem eigenständigen, kritischen Nachfragen verändert. Und ein Descartes hätte eigentlich nicht mehr aus Rücksicht auf die Inquisition mühsam in seinen Diskurs einen Gott hineinschreiben müssen. Das können intellektuelle Clownsmasken wie die amerikanischen Geschäftsleute von Apple, Microsoft und ähnlichen Geschäftsmodellen kaum nachvollziehen, weil die andere Werte haben. Marktwerte. Zum Gruseln, dieser marktliberale Horror im Mutterland des Winchester-Kapitalismus. Bei uns hier laufen aber lauter Clowns rum – womit ich nicht Oettinger meine.

Aber Deutschland und Europa, nur mal als Beispiel, haben ja nun nicht nur die Inszenierung des Erschreckens aus Amerika importiert, leider. Die Amerikaner mildern mit ihrem Halloween und dem Grusel wohl das Erschrecken und die Angst vor den Auswirkungen ihres Hardcore-Kapitalismus ab – eine Art Katharsis in der Maske ist das vielleicht.

Hier in Deutschland aber ist Reformationstag. Verdrängt durch eine marktgläubige Unterhaltungsindustrie - gruselig. Statt ein „Hier stehe ich, ich kann nicht anders“ als Aufbegehren eines Bürgers (war Luther ja auch) gegen diktatorisch inquisitorische Obrigkeit zu feiern, gruseln wir uns sinnentleert. Als ob Karneval nicht reichen würde.

Ich bin nun auch nicht für einen westfälisch oder schwäbisch geprägten Pietismus, oder auf Düsseldorf bezogen: Pietismus aus Flingern oder Kaiserswerth. Wenn Menschen sich selbst ausbeuten, sich an den Rand der Erschöpfung (auch der geistigen) arbeiten, weil es der liebe Gott oder andre es angeblich wohlgefällig sehen, dann läuft da was falsch im Christentum. Und nicht nur dort. Muße ist schließlich keine Sünde oder Verfehlung, Muße ist nötig, um geistig, intellektuell aufzutanken, um mal ein gutes Sachbuch zu lesen oder so. Was allerdings Buchkaufhäusern wie Mayersche oder Thalia den Umsatz kaputt machte.

Aber seit Helmut Kohl nicht nur den Provinzialismus, sondern auch die Privatsender nach Deutschland brachte, diskutieren wir ja über „Lombardis“ (wer sind diese Jugendlichen?) oder „Supertalent“ (gruselig) oder womöglich „Bauer sucht Frau“ (gruselig) oder ganz schlimm gruselig über inszenierte angebliche „Doku“ soaps und ähnlichen Grusel… Und nur eine handvoll Menschen- nicht die im Fernsehen - diskutieren über Politik, die ein Millionenpublikum ganz sicher angeht. Oder sie lesen verzerrte und politisch eindeutig einseitige Kommentare zum Schauspielhaus und glauben immer noch nicht, dass mancher Journalismus durchaus parteiisch ist… Gruselig ist nur, dass in den - durchaus hilfreichen und nützlichen - sozialen Netzen auch Menschen über Politik diskutieren, die gruselig uninformiert sind. Womit ich auch wieder nicht Oettinger meine. Grusel ist auch, wenn Menschen in Talkshows ihre Meinung kundtun, ohne dass ihre Behauptungen nachgeprüft werden können.

Heute also gruseln sich Menschen in Verkleidungen – da kann man den echten Grusel über die Zerstörung unserer Umwelt ja vergessen.

Aber bitte nicht ganz das Denken aufgeben. Es ist Reformationstag, und man kann sich ja mal einfach mal über die Reformation und ihre Folgen informieren. Da ging es auch um „verteilende Gerechtigkeit“, was Luther allerdings anders meinte als wir heute. Als Folgen der Reformation könnte man auch, als Folge des Buchdrucks, die Forderung nach Bildung für Alle nennen – ist ja bis heute nicht so richtig durchgesetzt. Oder die Kritik an bestehenden Traditionen und Institutionen. Was manche Konservative heute ja „Nestbeschmutzung“ nennen oder so.

Eine Folge der Reformation war sicherlich das Zeitalter der Aufklärung. Der Beginn eines“Humanismus“, der heute so oft als Floskel zitiert wird. Es gab Philosophen wie Erasmus von Rotterdam, der sich für Toleranz, gegen Krieg und Nationalismus einsetze. (Theologisch war er ein Gegner Luthers, aber das ist eine andre Geschichte.) Oder wie Nicolaus von Kues – ja, es ist das heutige Bernkastel-Kues, das gemeint ist, an der Mosel. Man kann da hinfahren, nicht nur wegen des Weins…

Gottesdienst zum Reformationstag

In der Johanneskirche, der Stadtkirche, beginnt heute Abend ab 19 Uhr ein Gottesdienst zum Reformationstag. Pfarrer Heinrich Fucks predigt, der Düsseldorfer Kammerchor sowie das Ensemble Musica Fiata unter der Leitung von Kantor Wolfgang Abendroth wirken an dem Gottesdienst mit. Zu hören sind Vertonungen aus den „Psalmen Davids“ von Heinrich Schütz.

Im Anschluss an den Gottesdienst lädt der Evangelische Kirchenkreis die Gottesdienstbesucherinnen und -besucher zu einem Empfang ins Foyer der Johanneskirche ein.

Auch da kann jeder über Humanismus, Toleranz, und ähnliche Themen diskutieren.

(Text Jo Achim Geschke)