Die Schneeflocken, die hochgewirbelt werden, fliegen gegen den unsichtbaren Gaze-Vorhang, so bleibt das Publikum im ausverkauften Großen Haus verschont. Einer der Tricks des Bühnenbilds (Regie, Bühne und Kostüm Kirill Serebrennikov sowie Vlad Ogay). Die Wirklichkeit wird, so beschreibt es auch Regisseur Serebrennikov, mit winzig kleinen Pferde-Miniaturen und einem „Riesen“ verfremdet. Und diese Bühne spiegelt die verschiedenen Ebenen der Erzählung, des Stücks, sie ist auf drei (Erzähl-?) Ebenen aufgeteilt: Vorne der Gang wie ein Laufsteg, auf dem winzige Figuren eines Schlitten auf ihrer Fahrt durch beschneite Hügel von einer Videokamera gefilmt werden. Dahinter die Bühne mit den weiß Gekleideten. In der Mitte ein Podest - der Schlitten - auf dem der Kutscher und der Doktor Platz nehmen. Und die haben einen durchsichtigen Helm auf. Ein kleine Video-Kamera am Helm filmt ihre Gesichter, und die erschienen in runden Bildschirmen über der Bühne.
Dabei wird deutlich, wie mitreißend sprechend allein die Augen-Mimik von Filipp Avdeev, dem Kutscher, und August Diehl sind.
Schauspiel, Gesänge, Tanz und Gedichte
Es gibt im Stück wunderbare Gesänge, Songs, ausgezeichneten Stepdance und ebenso vertonte Gedichte sowohl von Paul Celan wie ein russisches Gedicht von Rainer Maria Rilke.
„Wir können nicht nur Schauspiel machen, das ist langweilig,“ erklärt das Regisseur Kirill Serebrennikov im Interview im Programmheft. „Aber wenn wir alles miteinander kombinieren und ein Medium einem anderen hilft, das könnte interessant sein“, erläutert er seine Regie- und Teamarbeit.
Kutscher Filipp Avdeev und ein großartiger August Diehl
Dieser Kutscher ist einfach großartig, es ist eine Freude, alle diese Schauspielerinnen, Sänger*innen zu sehen. Großartig auch die mitspielende Live-Musikerin Malika Maminova, die in einer Szene nur ihre zwei Schlagzeugstöcke braucht, um musikalische Untermalung zu schaffen.
Aber dann dieser August Diehl, der den Doktor hineinwirft in die Inszenierung: Seine Ausstrahlung, seine Kraft und Dynamik ziehen sich durch das dreistündige Stück wie ein Sturm der Schauspielkunst.
Rahmenhandlung
Die Rahmenhandlung gibt höchstens ein Werst des ganzen Zaubers dieses Stückes wieder (Werst, altes russisches Längenmaß, galt bis zum Ende des Zarenreichs 1917, entspricht 1066 Meter.)
Der Arzt Dr. Garin will mit einem Impfstoff zu einem Dorf, einem kleinen Weiler, im Stück auch Langweiler genannt, um dort die infizierten Bewohne zu retten, die zu Zombies mutieren. Mangels anderer Gelegenheiten mietet er einen Schlitten mit dem Kutscher Perkhusha, von fünfzig grotesk kleinen Pferden gezogen. Aufgehalten durch einen Schneesturm und Defekte am Schlitten, treffen sie eine Müllerin, Drogendealer, und erleben einen surrealen Überlebenskampf.
Langer Beifall bei der Premiere in Düsseldorf und Standing Ovation.
Ein großartiges Theatererlebnis zu Beginn der neuen Spielzeit.
Nach der Premiere am 16. August bei den Salzburger Festspielen ist die internationale Koproduktion nun in Düsseldorf zu sehen.
Besetzung
Dr. Garin August Diehl
Perkhusha Filipp Avdeev
Mit Sonja Beißwenger, Yang Ge, Belendjwa Peter, Mikhail Poliakov, Slava Serdiuchenko, Varvara Shmykova, Claudius Steffens
Live-Musik Malika Maminova
Live-Kamera Frol Podlesnyi
Regie, Bühne und Kostüm Kirill Serebrennikov
Bühne und Kostüm Vlad Ogay
Musik, Komposition Alexander Manotskov
Musikalische Leitung Daniil Orlov
Choreografie Evgeny Kulagin, Ivan Estegneev
Videodesign Ilya Shagalov
Lichtdesign Sergej Kuchar
Sounddesign und Ton Viacheslav Kasianov
Künstlerische Produktionsleitung Alina Aleshchenko
Dramaturgie Birgit Lengers, Anna Shalashova
Mitarbeit Bühne und Kostüme Elizaweta Veprinskaya
Eine Koproduktion des Düsseldorfer Schauspielhauses mit den Salzburger Festspielen und Kirill & Friends Company. — Mit freundlicher Unterstützung der Freunde des Düsseldorfer Schauspielhauses (fds).