Wie groß die Aufgabe ist
Wie groß die Aufgabe ist, zeigen die Zahlen: Laut aktuellem IHK-Nachfolgereport NRW stehen landesweit rund 305.000 eigentümergeführte Familienunternehmen vor einer Übergabe – mit etwa 1,8 Millionen Beschäftigten. Allein in der Region Düsseldorf und Kreis Mettmann erwarten rund 26.000 Betriebe in den nächsten zehn Jahren einen Generationenwechsel.
Über die Warnung der IHK vor dieser Nachfolgelücke und ihre konkreten Hilfsangebote hatten wir bei NDOZ bereits ausführlich berichtet – im Beitrag „Unternehmensnachfolge in Düsseldorf: IHK warnt vor Lücke und bietet Hilfen“.
Gleichzeitig zeichnen Nachfolgestudien von IHK und KfW ein deutlich härteres Bild, als eine angenehm kuratierte Abendveranstaltung vermuten lässt: Viele Betriebe finden überhaupt keine externe Nachfolge, manche rechnen bereits mit einer Stilllegung. Bundesweit denken Hunderttausende Mittelständler über einen Rückzug nach – und in kurzer Frist erwägen mehr Unternehmen eine Betriebsaufgabe, als konkret eine Übergabe planen. Vor diesem Hintergrund zeichnete die Podiumsrunde ein eher zuversichtliches Bild: Im Fokus standen vor allem die vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten, während die Fälle, in denen Zeit, Geld oder passende Nachfolger:innen fehlen, nur am Rande vorkamen.
Wenn Nachfolge zur Frage der Gerechtigkeit wird
Familienunternehmen gelten auch in Düsseldorf als Rückgrat der lokalen Wirtschaft. Sie bieten Ausbildungsplätze, halten Fachkräfte in der Region und prägen ganze Viertel.
Auf dem Podium diskutierten darüber Britta Reinhardt (Wiesbadener Institut für Nachfolge-Kultur WINK e.V.), Psychologe Thomas Ebenfeld (concept m), Gunter Mühlhaus, Partner der Kanzlei Heuking in Düsseldorf, sowie Stiftungsspezialist York Asche und Nachfolgeplaner Guido Ringel, beide von der Bethmann Bank. Die Diskussion moderierte Gordon Gifaldi, ebenfalls Nachfolgeplaner der Bethmann Bank. Zu Beginn des Abends hatten außerdem Patric Wilhelm, Geschäftsbereichsleiter, und Brit Eilitz, Teamleiterin Wealth Management am Standort Düsseldorf, die Gäste begrüßt.
Doch hinter den Kulissen ringen viele Familien mit denselben Fragen:
- Wer fühlt sich berufen, das Unternehmen zu übernehmen?
- Wer wurde „auserwählt“ – und wer bleibt außen vor?
- Wie vermeidet man, dass Erbregelungen zur Familienkrise werden?
Die Expert:innen auf dem Podium waren sich einig: Gerechte Nachfolge ist kein Automatismus. Sie braucht Zeit, Gespräche und klare Regeln – am besten, lange bevor der Ernstfall eintritt.
Primogenitur: Wenn der Erstgeborene alles erbt – und die anderen?
In vielen Familienunternehmen gilt noch immer die alte Logik:
Ein Kind übernimmt – meist der oder die Erstgeborene.
Aus Sicht der Praxis ist der Grund klar: „Unternehmerisches Vermögen ist nicht gut teilbar“, sagte Britta Reinhardt vom Wiesbadener Institut für Nachfolge-Kultur (WINK e.V.).
Gerade deshalb sei die sogenannte Primogenitur, also die Vorstellung, dass das Familienunternehmen an den Erstgeborenen gehen soll, auch heute noch weit verbreitet. Gerecht sei das aber nicht automatisch:
„Gerechtigkeit in der unternehmerischen Vermögensnachfolge ist meist sehr schwierig umsetzbar“, so Reinhardt.
Der Psychologe Thomas Ebenfeld, Managing Partner der Marktforschungs- und Beratungsagentur concept-m, erinnerte daran, dass das wertvollste Erbe am Ende nicht auf dem Konto liegt, sondern in den persönlichen Beziehungen. Eine Nachfolgeregelung, die als unfair empfunden wird, kann Familien über Jahre spalten.
Nachfolge wird so zum Balanceakt zwischen:
- ökonomischer Vernunft (das Unternehmen handlungsfähig halten)
- und emotionaler Gerechtigkeit (niemanden dauerhaft abhängen).
Gerade an diesem Punkt blieb auf dem Podium eine Frage offen, die in vielen Familien sehr konkret ist: Was passiert, wenn die fachlich geeignetere Person nicht die Erstgeborene ist – oder wenn Kinder grundsätzlich einen anderen Lebensweg gehen wollen?
Reicht das BGB noch für moderne Familien?
Rein juristisch ist vieles geregelt. Doch das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) orientiert sich noch immer stark an einem klassischen Familienbild: verheiratetes Paar, klare Rollen, klare Reihenfolge.
Die Realität in Düsseldorf sieht längst anders aus:
- Patchwork-Familien
- zweite und dritte Ehen
- Kinder aus unterschiedlichen Beziehungen
- internationale Lebensentwürfe und Wohnorte
Der Düsseldorfer Rechtsanwalt Gunter Mühlhaus, Partner der Kanzlei Heuking, wies darauf hin, dass viele Konflikte weniger aus „Streitlust“ entstehen als aus einem rechtlichen Rahmen, der die Vielfalt moderner Familienkonstellationen nicht abbildet. Er plädierte dafür, das rechtliche Fundament – Vermögen, Familie, Ziele, Wünsche – frühzeitig zu sortieren, statt im Konfliktmodus zu reagieren.
Spätestens hier wird Unternehmensnachfolge zum politischen Thema:
Welche Familienmodelle erkennt unser Rechtssystem an?
Und wie lässt sich Gerechtigkeit zwischen den Generationen organisieren, ohne Unternehmen zu gefährden?
Düsseldorfer Beispiel: Wie Sophie Hinkel Verantwortung übernommen hat
Wie Nachfolge gelingen kann, zeigte ein Beispiel mitten aus der Düsseldorfer Innenstadt:
Sophie Hinkel, geschäftsführende Gesellschafterin der Bäckerei Hinkel, hat früh Verantwortung im Betrieb übernommen. Ihr Weg steht dafür, wie sich Tradition, Qualitätsanspruch und neue Ideen verbinden lassen, ohne dass es zum Bruch zwischen den Generationen kommt.
Gerade in Düsseldorf, mit seinen vielen inhabergeführten Betrieben vom Handwerk bis zur Traditionsmarke, stellen sich ähnliche Fragen:
- Wann wird die nächste Generation eingebunden – mit 18, mit 30 oder erst, wenn es brennt?
- Welche Rolle spielen Geschwister, Partner:innen, Onkel und Tanten?
- Wie offen wird in der Familie über Geld, Macht und Erwartungen gesprochen?
Die Botschaft aus dem Abend: Je früher die Beteiligten miteinander reden, desto eher lassen sich faire Lösungen finden.
Eine Perspektive fehlte allerdings: Menschen, die bewusst nicht übernehmen – und was das für ihr Verhältnis zur Familie bedeutet.
Stiftungen, Notfallordner & Co.: Was, wenn niemand übernimmt?
Und was passiert, wenn es keine Nachfolgerin oder keinen Nachfolger in der Familie gibt – oder niemand übernehmen will?
Hier rückten Stiftungen in den Fokus. Sie können eine Möglichkeit sein, Unternehmenszweck und Vermögen langfristig zu sichern, ohne den Betrieb zerschlagen oder verkaufen zu müssen.
Parallel betonten die Expert:innen ein Thema, das oft verdrängt wird: die Notfallplanung.
Am Anfang jeder seriösen Nachfolgeplanung sollte eine unbequeme Frage stehen:
„Was wäre passiert, wenn gestern etwas passiert wäre?“
Die Empfehlung:
- einen Notfallordner mit allen relevanten Unterlagen anlegen (Vollmachten, Konten, Versicherungen, Gesellschaftsverträge),
- klar regeln, wer im Ernstfall entscheiden darf,
- die wichtigsten Personen im Umfeld informieren, wo diese Unterlagen liegen.
Das klingt nüchtern – ist aber oft der entscheidende Schritt, damit ein Unternehmen im Krisenfall handlungsfähig bleibt.
Dass an diesem Abend vor allem Banker, Jurist:innen und Stiftungsprofis auf dem Podium saßen, ist zugleich eine Stärke und eine Grenze der Veranstaltung: Sie kennen die Instrumente im Detail – verdienen aber auch an komplexen Nachfolgelösungen. Was kaum vorkam, war die Perspektive jener Unternehmer:innen, die sich umfangreiche Beratung nur begrenzt leisten können oder deren Betrieb so klein ist, dass sie eher über einfache testamentarische Lösungen, einen Verkauf oder eine schlichte Betriebsaufgabe nachdenken müssen.
Was Düsseldorfer Unternehmer:innen jetzt konkret tun können
Damit der Diskussionsabend nicht nur ein kluger Austausch bleibt, lassen sich für die Praxis in Düsseldorf ein paar konkrete Schritte ableiten:
1. Früh und ehrlich reden
Mit allen Beteiligten – auch mit den Kindern, die nicht übernehmen sollen oder wollen. Erwartungen aussprechen, statt sie zu ahnen.
2. Professionell beraten lassen
Steuerberater:innen, Fachanwält:innen für Erbrecht, Nachfolgeberater:innen einbeziehen – gerade bei Patchwork-Familien oder internationalen Konstellationen.
3. Notfallordner anlegen
Alle wichtigen Infos an einem Ort sammeln – physisch oder digital. Und klar festlegen, wer im Ernstfall Zugriff hat.
4. Stiftungen und externe Nachfolge mitdenken
Wenn niemand aus der Familie übernehmen kann oder möchte, früh prüfen, ob eine Stiftung oder eine externe Nachfolge in Frage kommt.
5. Regionale Angebote nutzen
In Düsseldorf und NRW gibt es bereits eine Reihe von Beratungs- und Förderangeboten – von IHK und Handwerkskammer bis zur NRW.BANK und bundesweiten Nachfolgebörsen.
Service für Düsseldorfer Betriebe: Anlaufstellen zur Unternehmensnachfolge
IHK Düsseldorf – Beratung, Infos & Checklisten
Die IHK Düsseldorf bietet Informationsmaterial, Checklisten und persönliche Beratungsgespräche zur Unternehmensnachfolge – von der ersten Orientierung bis zur konkreten Planung einer Übernahme oder Übergabe.
Handwerkskammer Düsseldorf – Nachfolgeakademie & Betriebsbörse
Die Handwerkskammer Düsseldorf unterstützt Handwerksbetriebe mit individueller Beratung, einer Nachfolgeakademie sowie einer Betriebsbörse, über die Betriebe und Nachfolgeinteressierte zusammengebracht werden.
NRW.BANK – Finanzierung von Nachfolge und Unternehmenskauf
Die NRW.BANK bietet zinsgünstige Förderkredite und spezielle Programme zur Finanzierung von Unternehmensnachfolge, Gründung und Firmenkauf – oft in Kooperation mit der Hausbank.
nexxt-change – bundesweite Nachfolgebörse mit Tools
Über die Plattform nexxt-change finden Unternehmer:innen passende Nachfolger:innen – und umgekehrt. Zusätzlich gibt es dort Checklisten, Informationen und Online-Tools zur Vorbereitung der Betriebsübernahme sowie Hinweise zu Finanzierung und Förderung.
Zur Bethmann Bank
Gegründet 1712, gehört die Bethmann Bank (Marke der ABN AMRO Bank N.V., Frankfurt Branch) heute zu den großen Anbietern von Wealth Management in Deutschland. Sie betreut vor allem vermögende Privatkund:innen, Familienunternehmen und Vermögensverwalter.
Nach der Übernahme der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank AG (HAL AG) durch ABN AMRO im Juni 2025 ist geplant, das Wealth Management der Bethmann Bank und von HAL bis voraussichtlich Ende 2026 unter der Marke „Bethmann HAL“ zusammenzuführen. Mit verwalteten Vermögen von mehr als 70 Milliarden Euro und 17 Standorten in Deutschland wird Bethmann HAL damit zu den größten Privatbanken im Land zählen.
Quelle: Presseinformationen der Bethmann Bank und der Kanzlei Heuking zum Diskussionsabend „Vermögensnachfolge planen oder nach mir die Sintflut?“ in Düsseldorf.
Weiterlesen bei NDOZ
Unternehmensnachfolge in Düsseldorf: IHK warnt vor Lücke und bietet Hilfen
In unserem früheren Beitrag fassen wir die Ergebnisse des IHK-Nachfolgereports zusammen und zeigen, warum in den kommenden zehn Jahren tausende Düsseldorfer Betriebe vor einem Generationenwechsel stehen – und welche konkreten Angebote die IHK Düsseldorf bereits heute macht.



