Henry VI & Margaretha di Napoli Premiere im Schauspielhaus

Heinrich VI., Margaretha und das Ende durch Richard III. – Shakespeare unter der blutigen Krone

Von Jo Achim Geschke |

Henry VI & Margaretha di Napoli , Kampfszene mit Lieke Hoppe / Foto © Sandra Then D Haus

Henry zieht das Hemd aus der Hose, streicht seine Haare wie ein Teen halb ins Gesicht, und schwupp hat André Kaczmarczyk aus dem Bengel einen König Heinrich VI gemacht – dem die Krone dennoch, zu groß, über die Haare rutscht. André Kaczmarczyk gelingt es hervorragend über das gesamte, etwas zu naturalistisch inszenierte Stück diesen König des Buches, des Studiums und der Harmonie vorzustellen („Keinen Streit jetzt“ zwischen den bereits Schwerter zückenden Frauen). Heinrich ist aber kein Intellektueller, als solcher hätte er die Ränkespiele am Hof durchschaut. Autor Tom Lanoye hat ihm in der für Düsseldorf geschriebenen Fassung eine machtbewusste, durchaus skrupellose Frau zur Seite gestellt: Sonja Beißwenger als Margaretha aus Neapel.

Margaretha kann mit den Männern spielen, ihren Vorteil wahren, mit Intrigen für sich und ihren Mann kämpfen im Ränkespiel bei Hofe. Diese Ränke am Hof des jungen Königs Heinrich beginnen bereits am Grab seines Vaters. Seine Tante (Minna Wündrich) nimmt ihn für die Erziehung an die Hand. Aber auch sie wird den Intrigen und Machtspielen am Hofe zum Opfer fallen. Es ist ein Spiel um Moral, die von Schwertern beiseite gefegt wird, um Macht und durchaus auch Reichtum zu erhalten. Und es ist ein sehr aktuelles Spiel um die Frage, wie Macht, politische Macht und Herrschaft, ausgeübt werden muss – und darf. Wenn allerdings Führungsseminare für Manager*innen Shakespeare-Dramen entdeckt haben, wie Dramaturgin Felicitas Zürcher im Programmheft schreibt, lässt das doch zusammen zucken. Obwohl manche Manager-Etagen bereits Qualitäten ähnlich der Shakespeare-Dramen haben.

Das alles spielt sich eben schon im Shakespearschen Raum ab, unter einer riesigen Krone, die über dem erdigen Boden eines verwüsteten Schlachtfelds hängt. Diese Krone dreht sich mit dem Wandel zur nächsten Szene, versinkt später und taucht schließlich – wir sind ja schließlich auch bei Shakespeare – blutbeschmiert wieder auf. Dennoch: Das Bühnenbild von Patrick Bannwart und Larissa Kramarek, etwa der Kronrat auf sieben Stühlen, deren Gold längst dem erdfarbenen gewichen ist, überzeugt.

Auf dem erdigen Boden bewegen sich die Figuren des elisabethanischen Theaters und kreisen um den Erhalt der Macht durch Mord, Intrigen, Verleumdungen. Ein Mann wie Gloster (Rainer Philippi) wird entmachtet, indem seine Frau angeklagt und verleumdet wird. König Heinrich stellt seine Tante an den Schandpfahl und verbannt sie, der Reichsprotektor hat ausgedient. Heinrich ist zu schwach, um sich gegen diese Ränkespiele aufzulehnen. Wir sind bei Shakespeare, auch bei Lanoye, der fünf Dramen zu seinem Henry verband: Es gibt ein blutiges Ende, auch für die Häuser York und Lancaster, die in der Geschichte als Gegner im Rosenkrieg bekannt sind. Jan Maak etwa stampft als ein beeindruckender York über die Bühne, körperlich mächtig auch gegenüber seinem ältesten Sohn (Lieke Hoppe).

Was Lieke Hoppe hier leistet, ist erstaunlich: Erst die kämpfende Johanna, die sich im weißen Kleid gegen vier schwertschwingende Mannsbilder wehren kann und doch blutverschmiert sterben muss. Dann als eher verhaltenen Sohn des York, der tödlich zusticht. Und dann der zuckende, spuckende, wilde Kämpfer, dieser Richard III., den Autor Tom Lanoye aus dem Shakespeareschen Fundus herausholt und den Henry blutig beenden lässt. Hoppe / Richard zuckt, flucht, enthauptet und ist ein virile Todesmaschine, aber Lieke Hoppe als Kämpferin mit den hellen Linsen auf den Augen ist auch vom Kampf gezeichnet: zwei Finger der rechten Hand sind zusammengebunden wie gebrochen. Beim Schlussapplaus ist es deutlich zu sehen.

 

Gegen Ende braucht Margaretha ein Mikrophon: Die Schlussätze der Margaretha mit ihrem von Richard brutal getöteten Baby kann man leider ab Reihe 15 nicht mehr verstehen, was nicht gegen die Schauspielerin spricht. Die Akustik im Großen Haus war noch nie gut.

Diese hochinteressante Shakespeare-Verwandlung in der Regie von David Bösch müsste noch ein wenig mehr verwandelt, sprich gekürzt werden, vor allem im ersten Teil. Dann wäre es ein wirklich hochklassiges, weniger klassisches Theaterereignis.

Dem Premierenpublikum im nicht-ausverkauften Großen Haus gefiel es aber ausnehmend, langer Applaus und Jubel, teils standing ovations.

(Autor: Jo Achim Geschke)

Weitere Aufführungen 28. Dezember und 3. Januar, 3 Stunden mit Pause,

 www.dhaus.de/programm/a-z/henry-vi-margaretha-di-napoli/

Infos und Karten unter www.dhaus.de

Sonja Beißwenger,