Der Fall McNeal und wie KI uns verändert im Schauspielhaus Düssldorf

Künstliche Intelligenz à la Silicon Valley oder intelligente Kreativität : „Der Fall McNeal“ im Schauspielhaus

Von Jo Achim Geschke |

Der Fall McNeal D Haus

Der Fall McNeal , Moritz Klaus, Thiemo Schwarz/ Foto: © Thomas Rabsch , D Haus

Er ist ein ziemliches Ekelpaket, dieser Autor McNeal, der sich sogar daran erinnert, dass er Harvey Weinstein bewunderte. Ein excellenter Thiemo Schwarz gibt diesen „alten weißen Mann“ zwischen abgefeimter Egozentrik und halbherziger Selbsterkenntnis, eine zweistündige Parforcetour bis zur Erschöpfung. Uns seine Geschichte stellt die Frage: Macht KI uns kreativer? Nein, meine ich, benutze sie auch nicht, aber die Gleichschaltung des Wissens von Google, wenn wir etwas suchen, ist bereits KI. Und bringt uns einer Gleichschaltung Orwellscher Größe näher. Nicht aber einer Fähigkeit von Sprachschöpfung und Intelligenz. Das im Kleinen Haus gefeierte Stück, im Beisein des Autor Ayad Akhtar, hat eine erschreckende Aktualität.

Seine Lektorin und Agentin Stephie Banic (Friederike Wagner) kann daran auch nichts ändern, denn Autor McNeal hatte eine Schreibhemmung. Und um dennoch Erfolg zu haben, benutzt er die Tagebücher seiner Frau als Vorlage für ein KI-generiertes Werk. Zudem werden Vorlagen wie Ibsen, Shakespeare, Kafka mit in diese generierte Maschinen-Textur einbezogen. McNeal erhält dann über einen Anruf aus Schweden die Nachricht, dass sein Buch „EVIE“  den Nobelpreis erhält.

McNeal / Thiemo Schwarz hält eine von Eitelkeit durchsättigte Nobelpreis-Rede, verdammt dabei scheinheilig Künstliche Intelligenz als Mittel des Schreibens.

 Allerdings: Sein Sohn Harlan (Moritz Klaus) will ihn zunächst entlarven, der Vater konfrontiert ihn brutal mit dem schriftlichen Geständnis seiner toten Frau, dass sie den Sohn missbraucht hat.

Doch er trifft auch die ehemalige Redakteurin Francine Blake (wie immer äußerst präsent: Claudia Hübbecker), die ihm vorwirft, ihre Geschichte für sich vermartet zu haben.  Und er bekommt Besuch von Natasha Brathwaite, Reporterin bei der New York Times, die ihn interviewen will (ausgezeichnet Fnot Taddese).  Der entsetzten schwarzen Reporterin gesteht er , dass er damals den (inzwischen Verurteilten) Harvey Weinstein bewundert hat. Die Reporterin ahnt schließlich, wie sein neues Buch zustande kam, und verzichtet auf ein Interview.

Für den abschließenden Schlussmonolog hat Dramatiker Ayad Akhtar sogar bewusst mehrere KI-Programme benutzt. In Teilen wurde sogar während der Proben KI benutzt, etwa zu Licht und Bühnenbild (Bühne und Lichtdesign Mara-Madeleine Pieler).

Kreativität, Moral und - Zukunft

Aber es geht nicht nur um Kreativität, drängende Frage ist auch die nach Moral und KI, oder wie eine von amerikanischer Ideologie geprägte KI – auf Effizienz, Geschwindigkeit, sogenannte Neutralität getrimmt –unsere Wahrnehmung und unsere moralisches Urteil beeinflusst.

Wenn Millionen Menschen bei einer Suchanfrage die gleiche Zusammenfassung der KI bei Google lesen, ist das eine Tendenz zu Gleichmacherei. Oder wie es der Philosoph Daniel Bracker in seinem Essay formuliert, die KI will etwas „in die sichere Durchschnittlichkeit“ überführen, in die „mediokre Mitte“ heißt es im Stück.

Wir kennen den erstaunlich genauen Spruch „kreative Unordnung“ – etwas, was Silicon Valley oder die KI nicht akzeptieren kann. Es ist die Unordnung, die kreative Unfertigkeit oder die ungewöhnliche, überraschende Neuschöpfung, die die sammelnde, auf Effizienz getrimmte KI nicht kann.

Dennoch ist die Frage, wie weit eine sogenannte Künstliche Intelligenz, „artificial“ heißt es im amerikanischen  ! das Schreien von Texten beinflussen wird.

Schon heute wird an Universitäten nicht nur mit Sprachprogrammen der KI getrickst, auch längere administrative Texte werden inzwischen von der KI geschrieben.

Ein aktuelles Theater als Diskussionsbeitrag zur laufenden Debatte

Autor Dramatiker Ayad Akhtar ist ein hochinteressanter Diskussionsbeitrag zur  Auseinandersetzung um die Künstliche Intelligenz gelungen.

Die deutsche Erstaufführung ( nach New York und Wien)  in der Regie von Philipp Rosendahl mit einem begeisternden Hauptdarsteller Thiemo Schwarz und einem ausgezeichneten Ensemble bekam langen langen Beifall und Standing Ovation.

Wir empfehlen ausdrücklich das ausgezeichnete Prorammheft.  

Besetzung

Jacob McNeal Thiemo Schwarz

Harlan, sein Sohn Moritz Klaus

Stephie Banic, seine Agentin Friederike Wagner

Francine Blake, ehemalige Redakteurin bei der New York Times Claudia Hübbecker

Natasha Brathwaite, Reporterin bei der New York Times Fnot Taddese

Sahra Grewal, McNeals Ärztin Pauline Kästner

Dipti, Banics Assistentin Flavia Berner

Regie Philipp Rosendahl

Choreografie / Movement Direction Alessia Ruffolo

Bühne und Lichtdesign Mara-Madeleine Pieler

Kostüm Johann Brigitte Schima

Komposition und Sounddesign Tom Gatza

Videodesign Laurenz Ulrich

Dramaturgie Stijn Reinhold

Dauer

2 Stunden — keine Pause

Termine und Kartenbestellung unter

www.dhaus.de