„Mit der Faust in die Welt schlagen“ im Jungen Schauspiel

„Mit der Faust in die Welt schlagen“, Hoyerswerda, oder: warum viele Schulklassen das sehen sollten

Von Jo Achim Geschke |

Ali Aykar (Tobias)und Paul Jumin Hoffmann (Philipp) in „Mit der Faust in die Welt schlagen“ im Jungen Schauspiel / Foto © David Baltzer , D´Haus

Es gibt keine Bühne, die beiden grandiosen Schauspieler agieren direkt vor den sehr jungen Zuschauern der Premiere. Toby hat eine Art Comic-Kostüm an. Die beiden jungen Darsteller, Ali Aykar (Tobias)und Paul Jumin Hoffmann (Philipp), filmen sich gegenseitig, reden in die Kamera, ein Szenario, dass die sehr jungen Zuschauer*innen von ihren Smartphones und aus YouTube und Instagram kennen. Was sie nicht kennen: Hoyerswerda , Oberlausitz, Sachsen. Konrad Zuse, Erbauer des ersten funktionstüchtigen Computers 1941, hat hier das Gymnasium besucht. Und 1991 beklatschte hier ein Deutscher Mob, wie Rechtsradikale fünf Tage lang Ausländer mit dem Tod bedrohten. „Mit der Faust in die Welt schlagen“ am Jungen Schauspiel in der Münsterstraße 446, nach dem Roman von Lukas Rietzschel, zeigt für Jugendliche ab 12 Mechanismen der Radikalisierung und der männlichen Sozialisation, der „toxischen Maskulinität“ auf.

Sie hauen sich auf den Bauch, heftig. Die jungen Zuschauer*innen, die nur zwei, drei Meter von Tobias und Philipp entfernt sitzen, können deutlich die rote Haut auf deren Bäuchen sehen. Sie springen auf sich drauf, Philipp (der mitreißende Paul Jumin Hoffmann) hat schließlich sogar eine echte kleine Schürfwunde am Knie bei der Premiere unter der Regie von Martin Grünheit. Jungens-Rituale, Männlichkeitswahn oder auch toxische Männlichkeit …

Tobias und Philipp sind Jugendliche aus einem kleinen Ort. Sie gehen zur Schule und zu Großvaters Garten. Dann waren da noch so komische Leute im Auto vor der Schule, aber keiner weiß so recht, woher das Hakenkreuz auf dem Schulhof kam. Tobias und Philipp bauen, Wand für Wand, ein kleines Haus, eine Datsche, ein Gartenhaus. Der Opa stirbt, die Eltern trennen sich, „Ich hab keinen Bock mehr auf die Scheiße!“ schreit einer. Es ist ein Ort, in dem Sorben leben, eine Minderheit, “die Sorbenschweine“, sagt einer, und „wir sind keine Nazis“, Menzel. Wer ist Menzel ? „Dein Bruder ist ein Mädchen“, sagt er, denn der habe ja einen Beruf und eine Freundin … Männlichkeitswahn…

Hoyerswerda , Oberlausitz, Sachsen, Braunkohlerevier, Sorben leben hier. Konrad Zuse, Erbauer des ersten funktionstüchtigen Computers 1941, hat hier das Gymnasium besucht. In Hoyerswerda spielt das Video, dass nun auf die Wand des kleinen Bühnen-Heims projiziert wird. Zutiefst beklemmend die folgende laute Szene, wenn auch manche der jungen Premierengäste zu jung sind, um das aus dem Fernsehen zu kennen: Film-/ Fernsehaufnahmen vom brennenden Haus in Hoyerswerda, wo im September 1991 ein rechtsradikaler Mob fünf Tage lang wütete und ausländische Bewohner mit dem Tod bedrohte. Die grölende Menge beklatschte, dass rechtsradikale Rassisten Molotowcocktails geworfen hatten, klatschte, während dort vietnamesische Familien Todesangst hatten. Rechtsradikale Jugendliche hatten zuvor vietnamesische Händler auf dem Marktplatz bedroht. Die Polizei hatte kaum eingegriffen, als brennende Flaschen und Steine flogen.

Es ist still im Zuschauerraum. Die Schule geht im Stück in Flammen auf. Ein unfertiges, unvollendetes Hakenkreuz aus blutroten Neonlampen im  Hintergrund. Harte Töne einer Bass-Linie.

Stille vorm roten Hakenkreuz. Applaus, lange.

Hoyerswerda, die Folgen ? Es gab 32 verletzte Menschen, vier Verurteilungen. Am Wochenende danach gab es 78 rassistische Vorfälle in Deutschland ….

„Mit der Faust in die Welt schlagen“, eine Inszenierung mit zwei  überzeugenden jungen Darstellern, die möglichst viele Schulklassen sehen sollten.

Für Schulklassen und Lehrer gibt es ergänzendes pädagogisches Material.

(Autor Jo Achim Geschke)

Weitere Aufführungen und Karten-Bestellung, auch für Schulklassen, unter

www.dhaus.de