Richard III. Premiere und Spielzeitbeginn im Schauspielhaus

Richard III. oder der Verlust von Moral und Ethik der Demagogen und Populisten

Von Jo Achim Geschke |

Richard III. D Haus

Richard III mit _André Kaczmarczyk als König und Judith Rosmaier/ Foto © Dhaus Thomas Rabsch

Demagogen, Populisten, rücksichtslose Machtmenschen haben die Menschen schon immer fasziniert. André Kaczmarczyk bringt nun in faszinierender, körperlich fordernder Darstellung diesen Richard III. auf die Bühne. Mal als bockbeiniger Mephisto, mal als serviler Schmeichler, zeigt dieser Machtmensch ohne Moral in der ausgezeichneten Inszenierung von Regisseur Evgeny Titov und dem Bühnenbild von Etienne Pluss erschreckende Zeichen neuester Geschichte.

In einem grauen Raum mit Spuren des Verfalls gibt es eine Tür mit Video-Sprechanlage. Es ist Raum für Richard III, für seine Vertraute Hastings (Blanka Winkler). Später hebt sich die Wand, ein Nebenraum in einer Villa wird sichtbar. Hier liegt der alte König im Sterben, hier stehen bald die Särge der Opfer des Richard. Dieser Richard, Duke of Gloster, macht schnell klar, wo sein Ziel liegt.

Verwachsen, fühlt er sich häßlich, „hinkend und so schief gebaut“, heißt es in der gelungenen Übersetzung von Thomas Brasch. Er will um der Macht willen alle aus dem Weg räumen, die seinem Weg zum Thron, zum König  von England  im Weg stehen.

Kaczmarczyk läuft, hinkt, buckelt, umgarnt die Frauen

André Kaczmarczyk agiert zeitweise fast nackt, mit transparenter Strumpfhose, das Gesicht entstellt mit einem Netz. Kaczmarczyk läuft, hinkt, buckelt, umgarnt die Frauen, die er für seinen Weg zum Thron braucht und missbraucht. Und das alles auf Plateausohlen ohne Absatz – zwei Stunden lang. Ein Beelzebub mit Pferdefuß, ein eiskalter Verführer, oder auch nur als ein Mensch, der alle hasst und für seine Macht benutzt.

Shakespeares „Richard III.“ ist eines der meistgespielten Dramen, so war die Spannung da, wie Regisseur Titov diesen skrupellosen Machtmenschen inszenieren wird. Zunächst kommt Lady Anne  (hervorragend Claudia Hübbecker)  im Reifrock und Frisur der elisabethanischen Zeit auf die Bühne. Sie sagt schließlich zu, seine Frau zu werden, obwohl er ihre nMann mordete. Auch  Königin Elisabeth, Frau König Edwards IV. (Judith Rosmair) hasst und trauert im schwarzen ältlichen Kostüm.

Friederike Wagner als Königin Margaret, Witwe König Henrys VI., donnert ihre Verfluchungen hinreißend dröhnend in einem Kostüm, das dem Globe Theater entsprungen scheint.  Und die Prinzen, die bald im Tower ermordet werden sollen, sind ebenso wie die Prinzessin weiß gekleidet im Stil der  alten Zeit.

Mit Morden und Drohungen, etwa gegen Elisabeth, oder einer Mischung aus Schmeicheleien und Drohungen bei Lady Anne erreicht Richard sein Ziel, den Thron. Er lässt 15 Särge und das Leid der Frauen hinter sich.

Gnadenlose Überwachung

Und dann dreht Regisseur Titov die Zeit nach vorn, und der gnadenlose Demagoge, der skrupellose gekrönte Diktator  mit den Aufträgen zum Mord sitzt schließlich, hinter den 15 Särgen seiner Opfer vor einer Wand mit rund 20 Bildschirmen einer lückenlosen Überwachung. Richard der III. misstraut sogar seiner Vertraute Hastings.

Die Witwen all der Männer, den dieser Machtmensch aus dem Weg geräumt hat, stehen nun im “kleinen Schwarzen“ und schwarzen Kleidern der Jetztzeit vor ihm. Die Mutter schließlich sagt sich von ihrem Sohn los und zückt gar ein Messer.

Während bei Shakespeare Richard auf dem Schachtfeld stirbt – wie historisch verbürgt 1425– stechen hier die Frauen (ähnlich wie bei Shakespeares „Julius Cäsar“ die Männer) auf den Tyrannen ein. Auch seine Vertraute Hastings.

Richard III. sitzt dann im blutgetränkten Hemd vor den grünlichen Überwachungs- Bildschirmen, greift zum Telefon, stöhnt hinein, sagt leise die berühmten Worte , „Ein Pferd, ein Königreich für ein Pferd…“ und stirbt. (Ein eigentlich überflüssiger Gag, der wohl kathartisch das Publikum erlösen soll.)

Die junge Prinzessin Elisabeth schleicht vorsichtig heran, tippt auf einen Knopf – die Überwachungsbilder erlöschen.

Viel Beifall und Jubel des Premierenpublikums.

Historisches

Übrigens haben britische Archäolog*innen  auf Hinweis einer Hobby-Historikerin die Gebeine des Richard III. im Jahr 2012 auf dem Areal eines alten Klosters in Leicester unter einem Parkplatz entdeckt. DNA- Proben haben die Echtheit belegt.

https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/koenig-richard-iii-gebeine-entdeckt-gesicht-rekonstruiert-a-940276.html

Besetzung

Richard, Herzog von Gloster, Bruder König Edwards IV., später König Richard III.  André Kaczmarczyk

Königin Elisabeth, Frau König Edwards IV. Judith Rosmair

Königin Margaret, Witwe König Henrys VI. Friederike Wagner

Herzogin von York, Mutter Edwards IV., Richards III. und Georges, Herzog von Clarence Manuela Alphons

Lady Anne, Schwiegertochter König Henrys VI., Witwe des Kronprinzen Edward von Westminster, später Frau König Richards III. Claudia Hübbecker

Hastings, Vertraute Richards III. Blanka Winkler

Lady Rivers, Schwester Königin Elisabeths Pauline Kästner

und

König Edward IV.  Jochen Moser / Hans Meyer-Rosenthal

Kinder der Elisabeth:

Prinzessin Elisabeth Sae Hanajima

Kronprinz Edward Luke Dopheide

Prinz Richard Theodor Taprogge / Rafael Wohlleber

Regie Evgeny Titov

Bühne Etienne Pluss

Kostüm Esther Bialas

Musik und Video Moritz Wallmüller

Licht Konstantin Sonneson

Dramaturgie Janine Ortiz

Weitere Termine :

Do, 07.09. / 19:30 - 21:30

So, 10.09. / 16:00 - 18:00

With English surtitles

So, 01.10. / 18:00 - 20:00

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