Schauspielhaus Premiere Herr Puntila und sein Knecht Matti

Schauspielhaus-Premiere: Herr Puntila und sein Knecht auf abschüssiger Bahn

Von Jo Achim Geschke |

Bühnenbild in lila Licht bei Puntila und sein Knecht Matti / Foto Sebastian Hoppe, Schauspielhaus

Sie stehen eng zusammen, die Bühne ist grau, es ist kalt. Sie stehen eng zusammen, auf einer abschüssigen Fläche. Der Wind pfeift. Also eigentlich pfeifen die Schauspieler in ein Mikro. Und die Bühne mit ihrer abschüssigen Fläche, auf der die Schauspieler mal (absichtlich) abrutschen, auf der Hofherr Puntila besoffen liegt, auf der nur sein Knecht Matti fast mühelos herumläuft … es ist das gelungene Bühnenbild von „Puntila und sein Knecht Matti“ im D‘Haus. Und während Bert Brechts Interpretation von Verhältnis „Herr und Knecht“ von nur sechs Schauspielern hervorragend auf die Bühne gebracht wird, wandelt die Lichtregie von Konstantin Sonneson die knallig weiße Wand mal in heimelige, dann in lila-kalte Farbe. Gelungen!

Seit zwei Tagen, beschwert sich Chauffeur Matti beim Herrn Puntila, warte er draußen im Wagen. Und der Herr Puntila, herumrollend wie die geleerten Flaschen des Aquavit bei seinem Saufgelage mit seiner Gesellschaft, meint nur: „Ah, du bist ein Mensch, ich dachte, du seist ein Chauffeur.“ Er herrscht nur, wenn er „ein Mal im Quartal“ nüchtern ist, dieser Puntila, und dann beleidigend und abfällig zu seinen Untergebenen. Er will eigentlich gesellschaftlich aufsteigen, der Gutsherr, seine Tochter soll den Attaché heiraten, den Alexej Lochmann mit seehoferischem Husten-Lachen als etwas beschränkt vorführt. Aber Tochter Eva ist vom Langweiler nicht begeistert, und die erst 24-jährige Cennet Rüya Voß macht brechtisch klar, dass sie mehr Abenteuer, mehr Leben wünscht und schließlich den Matti, den Knecht-Chauffeur, als Mann will. Doch die Verhältnisse, die sind nicht so, und Matti macht der Tochter alsbald deutlich, dass es da doch reichlich Klassenunterschiede gibt. Wobei in einer als Prüfung der Hofbesitzer-Tochter gespielten Eheszene der Knecht sehr deutlich macht, dass er zu Hause der Herr über die Frau ist, der nicht beim Zeitungslesen gestört werden will … Und kochen kann sie auch nicht. Und schließlich meint auch Puntila zu Matti, er habe aufzuschauen zu der Tochter seines Arbeitgebers.

Puntila gibt – besoffen – den guten Arbeitgeber, der sich um seine Mitarbeiter kümmert, wird aber im nüchternen Zustand fies. Und wenn er nüchtern ist, knallt helles weißes Licht erschreckend in den Raum. Puntila will, voll des Aquavits, etwas besprechen, aber Knecht Matti meint trocken: „Wenn sich die Kühe auf dem Hof miteinander besprechen würden, gäbe es keinen Schlachthof mehr.“ Und als der Herr Puntila merkt, dass er bei Ministern und Attachés nicht ankommt – das soll seine Tochter doch den Matti heiraten.

Aber der will nicht. „Mein Herz geht nur auf, wenn ich ihre Wälder sehe, Herr Puntila“, sagt Matti. Konstantin Lindhorst als Knecht Matti tröstet den Herrn, verbindet ihm die Augen, drängt ihn an den Rand der Schräge … und so wird unaufdringlich klar – so lehren es Brecht und auch Hegel – der Knecht ist der eigentlich Herr, ohne ihn könnte der Herr nicht Herr sein.

An zwei Seiten eingerahmt von einer weißen Wand, eine Tür, ein Fenster, oben auf der grauen Fläche eine Doppeltür – das ist das minimalistische Bühnenbild von Sabrina Rox, dass die engen Verhältnisse im Kleinen Haus des Central optimal für Brechts Stück ausnutzt. Und das dank Lichtregie sogar sehr wandelbar ist. Es geht abwärts auf dieser grauen glatten Rutsche, für alle in dieser Gesellschaft. Da hilft auch das Zusammen stehen zu Beginn in der Kälte nicht.

Regisseur Jan Gehler hat dieses Brecht-Stück von 1940 sehr getreu auf die Bühne gebracht. Mit sechs Schauspielern, die begeistern. Nur der mal quengelnd selbstmitleidig-besoffene, mal beleidigende und herumbrüllende Konstantin Lindhorst als Puntila und der distanzierte, realistische Konstantin Lindhorst als Knecht Matti bleiben bei ihren Rollen. Die vier anderen Darsteller wechseln zu drei bis vier Darstellern, auch Eva, die Tochter Puntilas, muss schon mal einen Arbeiter mimen.

Dieses Ensemble macht Brechts Interpretation vom Verhältnis Herr und Knecht zu einer stimmigen Aufführung. Allen voran Konstantin Lindhorst als Chauffeur und Knecht Matti, die erst 24-jährige Cennet Rüya Voß begeistert als Tochter Eva und Andreas Grothgar als Puntila. Alexej Lochmann begeistert komödiantisch mal als Telefonistin im roten Kleid, vor allem als Attaché mit dümmlichen Lachen. Hanna Werth als Laina und Apothekerfräulein, Cathleen Baumann als Richter und Kuhmädchen – sie alle bringen einen äußerst sehenswerten Brecht auf die hervorragend gestaltete Bühne.

(Text Jo Achim Geschke)

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