NGG-Regionalchefin Zayde Torun spricht von „alarmierenden Zahlen“. Es könne nicht sein, dass so viele Menschen trotz Arbeit zum Jobcenter gehen müssten.
„Besorgniserregend ist vor allem der hohe Anteil von Kindern, die unter Armutsbedingungen aufwachsen“, so die Geschäftsführerin der NGG-Region Düsseldorf-Wuppertal.
Laut Arbeitsagentur leben bei 3.677 Hartz-IV-Aufstockern in der Landeshauptstadt Kinder im Haushalt. 1.166 dieser Haushalte werden von Alleinerziehenden geführt – 90 Prozent von ihnen sind Frauen.
Nach Beobachtung der Gewerkschafterin sind prekäre Arbeitsverhältnisse eine Hauptursache des Problems: „Wer an der Bäckertheke oder im Restaurant arbeitet und dabei nur einen Mini- oder Teilzeitjob hat, für den wird es am Monatsende sehr eng.“
Zwar sei es kürzlich gelungen, im NRW-Gastgewerbe Lohnerhöhungen im zweistelligen Bereich zu erzielen. Allerdings müssten sich die Unternehmen auch an ausgehandelte Tarifverträge halten, fordert Torun.
„Die von der Bundesregierung geplante Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns auf 12 Euro pro Stunde ist ein wichtiger erster Schritt, um Niedriglöhne auf dem ganzen Arbeitsmarkt einzudämmen.“
Es komme aber auch darauf an, dass Arbeitgeber mehr sozialversicherungspflichtige Stellen anböten – statt unsichere Jobs mit nur wenigen Wochenstunden, wie sie für Aufstockende die Regel seien.
„Besonders wichtig ist es, die Lage von Kindern in Hartz-IV-Haushalten zu verbessern. Armut darf nicht vererbt werden“, unterstreicht Torun.
Die von der Ampel-Koalition angekündigte Kindergrundsicherung sei ein „richtiger Schritt“. Mit der Reform sollen bisherige Leistungen für Kinder gebündelt und ein höheres Existenzminimum festgelegt werden.
„Hier ist entscheidend, das Armutsrisiko für Kinder zu minimieren – indem die Bedarfssätze für Heranwachsende deutlich steigen“, so Torun.
Das von Bundesfamilienministerin Anne Spiegel (Grüne) versprochene Gesetz dazu müsse nun rasch auf den Weg gebracht werden. Nach Angaben des IAB steigt die Armutsgefahr von Hartz-IV-Empfängern durch Kinder stark an. Insbesondere für Alleinerziehende: Ihr Risiko, das Einkommen beim Amt aufstocken zu müssen, liegt mit 40 Prozent am höchsten.
Wichtig sei zugleich, das Hartz-IV-System zu reformieren, damit auch Menschen, die derzeit keine Chance auf Arbeit hätten, in Würde leben könnten.
„Der aktuelle Regelsatz für Alleinerziehende von 449 Euro im Monat ist viel zu niedrig. Für Lebensmittel sind gerade einmal 155 Euro vorgesehen – bei stark steigenden Preisen. Zu Jahresbeginn sind die Sätze nur minimal erhöht worden. So gibt es für Kinder bis 13 Jahren in einer Bedarfsgemeinschaft gerade einmal zwei Euro mehr“, erklärt Torun.
Da Hartz IV der Inflation schon lange hinterherhinke, komme die aktuelle Erhöhung von 0,76 Prozent einer Kürzung gleich. Mit einem menschenwürdigen Existenzminimum habe das nichts zu tun.
Torun begrüßt die Pläne der Bundesregierung, Hartz IV durch ein sogenanntes Bürgergeld zu ersetzen. Hier dürfe es nicht nur um eine Namensänderung gehen, sondern es brauche eine echte Reform. Das Bürgergeld müsse höher sein als die bisherigen Leistungen aus der Grundsicherung – und für Betroffene leichter zu beantragen. Die bisherigen, oft sehr harten Sanktionen gehörten grundsätzlich auf den Prüfstand. Dies habe im Übrigen das Bundesverfassungsgericht entschieden.
„Beim Thema Aufstocker gilt aber auch: Die Unternehmen stehen ebenso in der Verantwortung. Sie müssen armutsfeste, tariflich abgesicherte Jobs bieten, damit niemand überhaupt erst aufstocken muss“, so Torun weiter.
Faire Löhne und attraktive Arbeitsbedingungen seien zugleich der beste Schutz vor dem Fachkräftemangel in vielen Branchen.