Positionen und Perspektiven 1— Meron Mendel und Saba-Nur Cheema zum Nahostkonflikt und Greuel der Hamas in Gaza

Gaza, Israel, über Antisemitismus und Rechtsradikalismus in „Positionen und Perspektiven“ mit Meron Mendel und Saba-Nur Cheema im D'Haus

Von Jo Achim Geschke |

Meron Mendel Saba-Nur Cheema

Saba-Nur Cheema und Meron Mendel / Foto © David Bachar /D Haus

Viele haben eine Meinung zum Nahostkonflikt, zum Überfall der Hamas auf Israelis am 7. Oktober 23. Aber haben die Vielen auch Kenntnisse zu den Fakten, zu den Hintergründen dieses Nahostkonflikts? Gerade in Deutschland ist die Auseinandersetzung der konservativen Netanjahu-Regierung mit den Palästinensern oftmals belastet von einem unterschwelligen oder offenen Antisemitismus. Wie können Diskussionen über die unfassbaren Gräuel der Hamas und der Krieg der Israelis gegen die Hamas in Gaza gerade in Deutschland geführt werden? Meron Mendel und Saba-Nur Cheema versuchen in der neuen Gesprächsreihe im Schauspielhaus „Positionen und Perspektiven“ aufzuzeigen.

Schauspielhaus Generalintendant Wilfried Schulz machte in der kurzen Einführung nochmals deutlich, dass sich das Theater als Kultur-Ort des Nachdenkens und der Empathie verstehe. Am ersten Abend am vergangenen Samstag im ausverkauften Haus lauschte das Publikum rund zwei Stunden ruhig der Befragung durch eine Journalistin, eine Stunde wurde aufgezeichnet für eine Radiosendung auf WDR 3. Meron Mendel  ist Direktor der Bildungsstätte Anne Frank  sowie Autor. Saba-Nur Cheema ist Politologin, Publizistin und berät unter anderem die Bundesregierung zum Thema Islamfeindlichkeit.  Beide sind miteinander verheiratet.

Sie schreibt 2021 unter einem Foto von Mendel und sich in einer FAZ-Kolumne: „Neuerdings sind wir Eltern. Mit einem muslimisch- israelisch-jüdisch-pakistanisch-hessischen Kind ist die Identitätskrise programmiert – und auch die Herausforderung für das Bürgeramt.“

(Zu ihrer Website:  https://sabanurcheema.com/muslimisch-juedisches-abendbrot/ )

Mendel beklagt zu Beginn, dass es in Deutschland und in kulturellen Orten wie Universitäten (etwa in Harvard USA) nach kurzer Zeit vor allem eine Solidarität mit den Palästinensern und deren Leiden unter den israelischen Angriffen gab. Die Gesellschaft habe verpasst, angemessen auf den 7. Oktober zu reagieren.

Politologin Cheema ordnete ein: Es gab in der globalen muslimischen Welt, so Cheema, eine Freude über den Angriff der Hamas. Denn Schiiten und Sunniten können sich streiten, aber sie seien geeint gegen Israel.

Es gebe, so Politologin Cheema, zudem bei vielen , auch Nicht-Muslimen, ein Narrativ der Kolonialisierung durch Israel. Es herrsche eben „eine große Ahnungslosigkeit über das, was in der Region vor 1948 war.“  

(Es gab zum Beispiel vor 1948 keinen „palästinensischen Staat“ oder ein geeintes palästinensisches Volk.)  

Gegen verzerrende Narrative mit Influencer:innen angehen

Die Frage sei eben, wie man gegen die verzerrenden Narrative eines Teils der islamischen Welt angehen könne. Cheema machte deutlich, dass etwa die Hamas gerade mit solchen narrativen und brutalen Bildern Jugendliche und Erwachsene beeinflusse. Die Bildern erschienen millionenfach auf Tiktok und „X“, vormals Twitter. Vielleicht müsse man mit Influencer:innen arbeiten, die eine große Zahl von Followern hätten. (Und für Menschen über 40 auch bei Facebook, so Cheema zu den heutigen Realitäten.)

„Wir müssen weg von der Fußballmentalität des: ich bin für 1 oder 2“, plädiert die Autorin für einen differenzierten Dialog auf der Grundlage von Fakten.

„Wir leben aber in einer Gesellschaft, in der rassistische und antisemitische Vorurteile und Bilder ganz normal verbreitet sind“, mahnen  Cheema und Mendel. (siehe die Anmerkungen und Buchempfehlungen unten) .

Eine Zukunft ohne Hamas und Netanjahu

Mendel sieht die Entwicklung – ähnlich wie viele prominente Kritiker in Israel – sehr klar: Die Hamas dürfe nicht mehr in Gaza das Wort haben, und Netanjahu müsse abgesetzt sein.

 Anmerkungen

Antisemitismus und Rechtsextremes Denken waren in Deutschland nie verschwunden, seit 1968 bis heute habe ich in allen aufgeklärten Diskussionen den Satz erlebt: Altrechtes Denken ist immer noch in der Mitte der Gesellschaft vorhanden.  Man kann Alexander und Margarete Mitscherlich und seine Kritik Ende der 1960er Jahre, dass Deutschland die Nazivergangenheit nie wirklich aufgearbeitet hat, bemühen („Die Unfähigkeit zu trauern“). Man kann auch an die Wurzel des Denkens gehen, wie es Theodor Wiesengrund Adorno tat: Gerade sind seine Vorträge aus aktuellem Anlass erneut bei Suhrkamp erschienen über Antisemitismus und Rechtsradikalismus.

Am Samstag diskutierten die Cheema und Mendel, aber am Sonntag (21. Januar 24)  machten die Berichte in vielen Deutschen Medien ein zunächst hoffnungsvolles Bild: Hunderttausende Menschen demonstrierten in Städten wie Cottbus, Leipzig, Hamburg und München gegen Rechtsextreme und damit gegen die AfD und  die neofaschistischen Ideen der Deportationen bei den Vertretern der Neuen Rechten.  

Jedoch:

„Dass keiner uns zu früh da triumphiert -

Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch!“

(Bert Brecht, Arturo Ui)

 

Rechtsextreme Ideologien gaukeln gerade bei unaufgeklärten Menschen einen Ausweg aus der Bedeutungslosigkeit und der Hilflosigkeit vor. Da wird in einer nur scheinbaren Gruppenidentität mit autoritärer Eingrenzung auf ein früheres, angebliches sicheres Welt- und Gesellschaftsbild der Boden bereitet für die Herrschaft einer rechten, privilegierten Elite.  Auf die rechtsextremen Versprecchungen fallen immer noch sehr viele Deutsche herein.

Bücher:

Triggerpunkte , Konsens und Konflikt in der Gegenwartsgesellschaft,

Klappenbroschur, 540 Seiten, Suhrkamp, Nr. 978-3-518-02984-8 – 25 Euro

Theodor W. Adorno: Zur Bekämpfung des Antisemitismus heute

Ein Vortrag - Mit einem Nachwort von Jan Philipp Reemtsma

ISBN Nr. 978-3-518-58823-9

Suhrkamp Wissenschaft, 10 €

Aspekte des neuen Rechtsradikalismus - Theodor W. Adorno

Ein Vortrag - Mit einem Nachwort von Volker Weiß

Suhrkamp Wissenschaft ,  10 €

978-3-518-58737-9

Die Reihe wird fortgesetzt am Freitag, 16.02. / 20:00 Uhr mit Positionen und Perspektiven 2 — Meron Mendel und Saba-Nur Cheema im Gespräch mit Navid Kermani,  Schauspielhaus, Kleines Haus

www.dhaus.de