Ein Abend im Unterhaus im D Haus

Heimat, Gartenzwerge, Nena und Wo der Pfeffer wächst im „Unterhaus“

Von Jo Achim Geschke |

Heimat im Unterhaus / Fotos und Collage © Jo Achim Geschke

Es hat ohnehin ein wenig den Anschein von Ungewissem, ja von Abenteuer auf der Baustelle des Schauspielhauses – was der Begeisterung des zahlreichen zahlenden Publikums, den „Theater-Verrückten“, wie sich eine Besucherin beschrieb, keinen Abbruch tut. Ins Unterhaus geht es nun in den Keller, über Treppen, durch schmale Gänge und unter Aluminium-verdeckten Kabeln. Und hinein in ein kleines Theater mit einer kleinen, feinen Bühne. Ich mag diesen Raum, diese kleine Bühne, auf der die Schauspieler*innen so nah sind, so direkt. Wo Hanna Werth auch schon mal die Zuschauer mit einbezieht – „Kann jemand Eier trennen?“ – und Serkan Kaya den Kaffee teilte mit jemandem aus der ersten Reihe.

„Heimat ist da, wo der Pfeffer wächst“ heiß etwa das Programm mit Hanna Werth und Philipp Alfons Heitmann vergangenen Freitag. Vorn auf der Bühne das angedeutete Bühnenbild mit Rasen und drei kleinen Gartenzwergen von Ottmar Hörl. Wir haben den in Groß, den roten da oben auf dem Foto. Steht in unserem Kleingarten … Ja, auch der kann Heimat sein, stellt Hanna Werth fest. Und singt im Duo „Schön, so schön war die Zeit … Brennend heißer Wüstensand, Fern so fern dem Heimatland …“ Freddy Quinn, ja der Österreicher, der in Hamburg lebt, 88 Jahre alt, hat das 1956 zuerst gesungen. Damals ging das noch.

Lebenswege ... die stellen beide vor, Heitmann auf dem Umweg über Südafrika wieder ins Rheinland, Hanna Werth als „Exilhessin“ mit dem Hang zu Fleischwurst in der Metzgerei. Das ist auch Heimat.

Oder typisch deutsche Fragen wie „Ist da Pfand drauf?“ oder „Wo ist das nächste Parkhaus?“ … oder typisch deutsch auch die Vorschrift zum Gartenzwerg : „69 Zentimeter, aus gebranntem Ton, mit roter Zipfelmütze und weißem Bart.“ Wie Hanna Werth das dargibt, kann man nur grinsen. Nickend grinsen. Der Gartenzwerg von Künstler Ottmar Hörl aus Lübeck ist über 50 Zentimeter hoch und aus Kunststoff, Hörl hat den auch noch viel größer gemacht, wie auch den Marx und den Luther. Auch das ist Deutsch. Lübeck, auch Heimat von ….. schweifen wir nicht ab, hier muss alles seine Ordnung haben und dann ins Chaos stürzen, wie Hanna Werth zitierte.

Der Gartenzwerg ist übrigens in Ostanatolien entstanden.

Und wenn dann das Duo oben auf der kleinen feinen schwarzen Bühne (haben sie gerade gestrichen!) anfängt mit „Junge, guck dir den Dieter an, der hat sogar ein Auto …“ da nicken die Ärzte-Fans im Publikum, sind ja alle etwas älter schon,  2007 kam der Song raus, da war der millionenteure G 8 Gipfel in Heiligendamm und der vierte Klimabericht … lassen wir das. Als Hanna Werth dann hell und laut losröhrt mit „Und wie du wieder aussiehst Löcher in der Hose und ständig dieser Lärm ...“, da regen sich die Hände wieder mal zum Szenenapplaus.

Heimat hieß ja der Titel. Für so manche ist auch der Song der Ärzte und die Ärzte überhaupt, - also nicht die Kardiologen, sondern - die Jungs um Farin Urlaub, der den Song schrieb, Heimat. Also irgendwie. „Wo der Pfeffer wächst“, das ist in Indien. Schauspieler Heitmann war aber eine Zeitlang in Südafrika. Was denn nu? Anpassung, dort wo man angepasst war, wurde, ist? Der überzeugende Pianist Roland Miosga kommt aus Oberschlesien, spielt die Hymne, die er für seine Heimat Gleiwitz geschrieben hat. Und Heitmann singt die Bochumer Currywurst… gekonnt und besser als das Original.

Heimat: Sind das die Todesanzeigen in der Zeitung, darunter „Rammler zu verkaufen?“ Fragen über Fragen, wie „Was geschieht mit den Fernsehsendungen, die ich nicht gesehen habe?“ Oder „Gibt es die Welt auch ohne mich?“ Oder „Irgendwo, irgendwie irgendwann …“ der Nena-Song, den Hanna Werth und ihr Rheinland Duettpartner intonieren, und der bejubelt wird?

Heimat, das ist auch jener Song, den Hanna Werth (Schauspielstudium und Engagements im Osten Deutschlands)  schließlich in der Zugabe anstimmt, ein Song aus der DDR, die die CDU nur mit „ ..“ schrieb: Als ich ein Vogel war, von Klaus Renft aus Halle, der Band „Combo“ : „Irgendwann will Jedermann / raus aus seiner Haut./ Irgendwann denkt er dran,/ wenn auch nicht laut …“ Wie hat sie den angekündigt: „dass es doch so ist, dass wir viel mehr gemeinsam haben …“ Stimmt.

Es gab ganz viele nicht vorhandene Vorhänge im Unterhaus – sprich: Jubel !  Nochmals Jubel.

Ach schön wars, dieser Abend im Unterhaus. So heimatlich. Wieder mal.

(Autor Jo Achim Geschke)