Schauspielhaus „Das Tribunal“ von Dawn King Uraufführung mit Jugendlichen

In „Das Tribunal“ halten Jugendliche gnadenlos Gericht über Klima-Sünder

Von Jo Achim Geschke |

Das Tribunal D Haus

„Das Tribunal“, Uraufführung mit Jugendlichen / Foto © Thomas Rabsch, D‘Haus

In einem stillgelegten Theater sollen 12 Jugendliche als Jury klima-schädigende Erwachsene nach Anhörung „Schuldig“ oder „Nichtschuldig“ sprechen. Autorin Dawn King, die zum Schlussapplaus der Uraufführung auch auf die Bühne kam, stellt in „Das Tribunal“ die Frage, ob eine absolute Verdammung der alltäglichen Klimasünder:innen moralisch gerechtfertigt ist. Die Jugendlichen Laiendarsteller:innen zwischen 13 und 21 Jahren zeigen im Kleinen Haus beeindruckende schauspielerische Leistungen beim Stück des „Stadt:Kollektiv“ (vormaligen „Bürgerbühne“). Ihre Generation ist diejenige, die die Folgen der Klimakatastrophe drastisch spüren wird, obwohl die Wissenschaft seit Jahren vor der Klimakatastrophe warnt.

Die Bühne ohne Kulisse, schwarz und voller Theater-Technik, deutet die autoritäre Facette des Tribunals an ebenso wie die Kostüme: Alle haben Schleifen und Schnallen an Hosenüberwürfen und Hemden – für Gurte, vielleicht? Eine Stimme aus dem Off fordert immer wieder, „kommen sie zum Urteil“.

Es sind ein Creativdirektor einer Werbeagentur, ein Autor, und eine Topmanagerin eines Ölkonzerns, die sich vor der Jury mit einer kurzen Selbstdarstellung verteidigen.

Dabei werden die Umweltsünden,( die keine Sünden sind die man beichten kann, sondern Fehlverhalten,) deutlich, die eigentlich ja fast jeder von uns kennt. Der Werbemanager ist – natürlich für seine drei Kinder – mit denen in den Skiurlaub gefahren, ist geflogen, hat ein dickes Auto und hat ein Zweitauto gekauft, elektrisch, aber eben ein Auto, sagt „Ich bin ein ganz normaler Mensch.“ Allerdings ist dafür sein Einkommen zu hoch. Seinen Job macht er für seine Familie, klar, dabei zwingt ihn die Ideologie des „Familienvaters“, des „Ernährers“, zu Umweltsünden wie dem Einfamilienhausbau, der die Landschaft zerstört, Boden versiegelt und den Bau von Mehrfamilienhäuser erschwert.

Wenn sich der erste Angeklagte an die Jury wendet und sagt, „Was hätte ich denn tun sollen?“, dann fällt einem leicht Professor Harald Lesch ein, der Astrophysiker. In einer dieser überflüssigen Fernseh-Talkshows sagte er offenkundig sauer, die Wissenschaftler hätten vor vielen Jahren schon vor der dramatischen Erderwärmung gewarnt, und was sei passiert? Nichts!

Die Jugendlichen diskutieren das Fehlverhalten. Er hätte ja Lehrer werden können, statt Werbung für sportliche Plastikkleidung zu machen, sagt ein Jugendlicher.  

Es ist zu warm bei der Jury, klagt einer, will die Klimaanlage auf 17 Grad einstellen lassen. Das geht nicht, die ist abgeriegelt, er bekommt einen Fächer zum Kühlen. Er will das Fenster aufmachen, warme Luft kommt herein.

„Habt ihr schon mal Schnee gesehen?“, fragt ein Jugendlicher.

Und dann fallen die Schneeflocken, und ein Eisbär (Pia Dix im Kostüm) kraucht herum. Es erinnert an die Bilder von den halb verhungerten Eisbären auf den Schollen, die etwa vom Forschungsschiff „Polarstern“ in der Arktis gesehen wurden.

Der Werbemanager wird als schuldig verurteilt. Der zweite Angeklagte ist ein Autor, der zuviel geflogen ist und eine schlchte CO2-Bilanz hat. Er habe auf richtiges Handeln geachtet seit den Warnungen vor Treibhausgasen „in Haarspray und so“ (Siehe Link unten).  Er gehe auch zu Demos und sei Mitglied bei den Grünen. Auch er wird nach heftiger Diskussion für Schuldig befunden.

Die Jury-Mitglieder ziehen eine Kulisse auf, eine Meeresbucht, ein Urlaubsziel hinterm Strand. Ein Jury-Mitglied beginnt plötzlich zu beschreiben, wie das Meer ansteigt, die Häuser verschlingt, sie klettern auf die Dächer, sie und ihre Eltern, das Wasser steigt, sie muss zusehen, wie Mutter du Vater ertrinken. Eine eindringliche Szene, die angesichts der Flutkatastrophe im Juli noch dramatischer wirkt.

Die Jury macht dann zur Entspannung Yoga, erst zwei, dann mehr, dann alle, „Gruß an die Sonne“ heißt die Übung,.

Und dann die dritte Angeklagte, 75.000 Euro Einkommen, 25 Tonnen CO2 in der Bilanz, viele Flüge. Sie habe, sagt die Vizepräsidentin einer Ölgesellschaft, keine Verteidigung für ihr Handeln. Sie habe viele Umwelt-Ziele gehabt, aber die Firma habe an anderer Stelle vielmehr umweltschädliches getan. Ihre Tochter, für die sei viel getan habe, habe sich von ihr getrennt.

Immer wieder versucht ein Jugendlicher, entlastende Argumente zu finden, doch angesichts der Klimakatastrophe fällt das schwer.

„Wir haben ein Recht auf unsere Zukunft“, sagt eine der Jugendlichen.

Und dann entscheidet sogar die Tochter, Mitglied der Jury, dass ihre Mutter schuldig ist.

Aber ist die Todesstrafe gerechtfertigt, ist ein System jenseits der Demokratie, wie es hinter der Jury aufscheint, gerechtfertigt oder nicht?

Die Diskussion um die ethische Dimension der Urteile gegen klimaschädliches Handeln angesichts der katastrophalen Erderwärmung bleibt da nicht nur bei den zwölf ausgezeichneten jugendlichen Laiendarstellern in „Das Tribunal“ hängen.

„How dare you?“ hat Greta Thunberg einmal sehr wütend in einer Rede gesagt.

„Wenn du da nicht wütend wirst, hast du etwas nicht begriffen“, heißt es einmal  in „Das Tribunal“.

In ihrem Buch „Wütendes Wetter“ beschreibt die renommierte Klimaforscherin Frederike Otto sehr deutlich, was uns drohen wird: Die Hitzesommer 2003 oder 2015 mit Zigtausenden Toten in Europa könnten demnächst das Normale sein – „als kühlere Ausnahme“.

2003 starben in Frankreich aufgrund der Hitze 11.500 vornehmlich alte Menschen.

Die Konsequenzen der jugendlichen Jury werden zum Schluss deutlich und drastisch gezeigt, die Angeklagten wurden schließlich zum Tode verurteilt.

Was in unserer so demokratischen Gesellschaft aber stirbt, ist die Solidarität. Solidarität und Verantwortung aus der Erkenntnis, dass wir jetzt und hier, im Bundestag und in unserem Alltag, die Letzten sind, die die Klimakatastrophe noch aufhalten können.

Ein Stück von Jugendlichen gespielt für Jugendliche und Erwachsene und ganze Klassen zu weiteren Diskussion. Dawn Kings Dramentext »Das Tribunal« entstand in enger Zusammenarbeit mit dem Regisseur Adrian Figueroa. Uraufgeführt wird das Drama mit zwölf jungen Düsseldorfer*innen.

Weitere Aufführungen und Karten:www.dhaus.de

Das Schauspielhaus wendet sich direkt an Lehrer:innen: 

Liebe Lehrer*innen, mit Blick auf die Thematik der Inszenierung und die jugendlichen Darsteller*innen empfehlen wir »Das Tribunal« für Schulklassenbesuche ab der 8. Klasse bis zur Oberstufe. Für weitere Informationen und unser Workshop-Programm melden Sie sich gerne bei der Theaterpädagogin Lama Ali unter 0211. 85 23-714 oder lama.ali@dhaus.de.

 

Weiterführende Links zu Zitaten aus diesem Text:

 (Greta Thunberg How dare you? YouTube link https://www.youtube.com/watch?v=b_8XwcX9q_c  )

Buch „Wütendes Wetter“ von Frederike Otto , Berlin 2019, gebunden,  

Klimawandel und menschliches Handeln, Bundeszentrale für politische Bildung:  https://www.bpb.de/gesellschaft/umwelt/klimawandel/38444/entdeckung-des-menschlichen-einflusses

(Zu Treibhausgase wie FCKW gab es 1974 Veröffentlichungen, 1984 wurden die Ozonlöcher öffentlich , Link  https://www.spektrum.de/news/25-jahre-fckw-verbot-wie-steht-es-um-das-ozonloch/1352353 )

Hitzetote in Frankreich 2003

(https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/hitzetote-fast-11-500-menschen-in-frankreich-an-hitze-gestorben-1117542.html )