Menschen in Düsseldorf – Seine Gedichte erzählen vom Leid der Unsichtbaren – zwischen Ost und West, Vergangenheit und Gegenwart.

„Tote Kinder weinen nicht“ – Der Düsseldorfer Dichter Hüsnü Özdilek gibt den Namenlosen eine Stimme

Von Antonia Klaumann |

Hüsnü Özdilek vor seinem Wohnhaus in Düsseldorf-Garath. / Foto: Klaus von Jackelmann
Hüsnü Özdilek vor seinem Wohnhaus in Düsseldorf-Garath. / Foto: Klaus von Jackelmann

Hüsnü Özdilek vor seinem Wohnhaus in Düsseldorf-Garath. / Foto: Klaus von Jackelmann

Was kann ein Gedicht bewirken? Vielleicht nicht die Welt verändern – aber sie sichtbar machen. Hüsnü Özdilek schreibt seit seiner Jugend Gedichte – auf Türkisch, auf Deutsch, aber immer mit Haltung. Seine Texte berühren, schmerzen und fordern auf, hinzusehen – besonders dann, wenn es um Gewalt an Kindern, politische Repression oder gesellschaftliches Wegschauen geht. Unsere Redaktion hat ihn getroffen. Ein Porträt über einen Düsseldorfer Dichter, der den Stimmlosen eine Stimme gibt.

„Tote Kinder weinen nicht“
„Tote Kinder lachen nicht, weil sie nicht im Westen geboren sind. Es gibt keine bunten Farben für sie. Die Welt ist für sie schwarz oder weiß… Das Leben ist für sie eiskalt oder höllenheiß… Im Osten geht die Sonne nicht auf, deshalb träumen tote Kinder nicht“
Tote Kinder weinen nicht – Hüsnü Özdilek

Fünf Bücher, zwei Sprachen, Hüsnü Özdilek schreibt seit seinem 16. Lebensjahr Gedichte. Inspiriert von einem Klassenkameraden begann er sich für das Dichten zu interessieren und entdeckte so nicht nur sein Talent, sondern entwickelte auch eine Leidenschaft dafür, seine Gedanken in Gedichtform wiederzugeben.

1992 veröffentlichte er sein erstes Buch auf Türkisch mit dem Titel „TÜRKİYE’DEN UZAKLARDA“, auf das er noch heute stolz ist. Dennoch erkennt er deutlich seine persönliche und künstlerische Entwicklung seitdem – sowohl als Dichter als auch als Mensch. Der Blick auf dieses erste Werk zeigt ihm deutlich, wie weit er gekommen ist.

Seitdem hat Hüsnü drei weitere Bücher auf Türkisch sowie ein Werk auf Deutsch veröffentlicht. Für ihn ist Wissen die Grundlage zum Schreiben. Deswegen spendet er die Einnahmen seiner Bücher an die Bildung in der Türkei – er möchte zurückgeben. Derzeit arbeitet er an einem weiteren Gedichtband in deutscher Sprache.

Wie er selbst sagt, kann er sich auf Türkisch besser ausdrücken. Daher schreibt er seine Originaltexte zunächst auf Türkisch und übersetzt sie anschließend ins Deutsche. Sein erstes deutsches Buch übersetzte er gemeinsam mit seinem Sohn.

In seinen Gedichten setzt er sich mit verschiedenen Themen auseinander, unter anderem mit der politischen Lage in der Türkei. Er selbst kam 1978 nach Deutschland. Es frustriert ihn, mitanzusehen, was seither in seiner Heimat geschieht und wie sehr die Menschen dort leiden.

In seinem Gedicht „Der Sack“ schreibt Hüsnü über Narin, ein achtjähriges Mädchen, das im September 2024 in der Türkei verschwand und später tot in einem Sack aufgefunden wurde. Er wurde durch einen Fernsehbericht auf die Geschichte aufmerksam und beschloss, Narin eine Stimme zu verleihen. Er verfasste ein Gedicht aus ihrer Perspektive. Darin fragt er sich, wie sie sich wohl gefühlt haben muss und was in ihren letzten Momenten durch ihren Kopf gegangen ist.

„Kein Feuer der Welt brennt so heiß wie mein Schmerz,
Kein Wasser so kalt wie mein sterbendes Herz."
Der Sack -Hüsnü Özdilek

„Wenn ich nicht rede, wer dann?“, sagt Hüsnü über seine Gedichte.

Und genau darum geht es ihm: jenen eine Stimme zu verleihen, die selbst keine haben – und seine Leser dadurch zum Nachdenken anzuregen.Deshalb ist es ihm wichtig, dass seine Gedichte nicht leicht zu verstehen sind. Die Leser sollen sich auch im Nachhinein mit seinen Texten auseinandersetzen. Für Hüsnü sind Gedichte nicht einfach nur Texte – für ihn sind sie eine Form der Berichterstattung. Eine, anhand derer man auch Jahre später nachvollziehen kann, in welcher Lage sich unsere Gesellschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt befand.

Über den Autor: Hüsnü Özdilek

Hüsnü Özdilek wurde 1966 in Ankara geboren und lebt seit 1978 in Deutschland. Nach dem Hauptschulabschluss absolvierte er eine Ausbildung und arbeitet seit 1988 bei der Rheinbahn AG in Düsseldorf – zunächst als Schweißer, später über zwei Jahrzehnte im Fahrdienst, heute wieder in der Werkstatt. Er ist verheiratet und Vater von vier Kindern.

Neben seiner beruflichen Tätigkeit widmet er sich seit seiner Jugend der Literatur und war an mehreren Anthologien beteiligt. Einige seiner Gedichte wurden auch vertont. Inzwischen übersetzt er ausgewählte Werke ins Deutsche, um ein breiteres Publikum zu erreichen.

Lesetipp

Endlose Gedanken, während die Stadt schlief– ein Gedichtband von Hüsnü Özdilek über Liebe, Sehnsucht, Einsamkeit – und über soziale Themen unserer Zeit, in der Türkei wie in Deutschland. Hier bei Amazon ansehen

Lesen Sie auch den vorherigen Beitrag aus unserer Serie „Menschen in Düsseldorf“Wie Melanie Schrader Düsseldorfs Kulturszene neu vernetzt