Kommentar und Analyse zur Stadtpolitik

Wollen wir für uns sorgen oder sparen? oder: Reden wir über Neoliberalismus und Umkrempeln

Von Jo Achim Geschke |

Rathaus / Foto NDOZ.de

Nun werden also gleich zwei Dezernenten ersetzt. Seit gut einem Jahr haben wir eine andere Politik, seit Thomas Geisel (SPD) neuer OB wurde und eine Ampel die politische Mehrheit stellt. Nun geht Planungsdezernent Gregor Bonin – der auf CDU-Ticket die Stadtplanung dominierte – nach Mönchengladbach, wie die Rheinische Post (RP) berichtet. Das ist nicht weiter verwunderlich, aber die Art, wie in der dominierenden Zeitung der Stadt dieser Wechsel kommentiert wird, lässt einen überzeugten Demokraten wie den Autor doch verwundern: „Thomas Geisel krempelt die Stadt auf links“ steht in der Samstagsausgabe (29. August).

Dahinter steht eine kennzeichnende weil neoliberale Aussage. Aber eine Diskussion über Neoliberalismus fehlt ganz dringend in dieser Stadt (und diesem Staat).

Nun kann man sagen: „Krempelt die Stadt auf links? Ja und, ist ja auch gut so, wenn das die Rückkehr zu einer Politik fürs Gemeinwohl ohne Tunnelblick bedeutet“ (ja, die Kö-Bogen-Tunnel sind auch gemeint). Man kann auch sagen: OB Joachim Erwin hat 2000 die Stadt auf rechts gekrempelt. Tatsächlich geht es aber nur darum, dass eine neue Kämmerin kommt (mit SPD-Parteibuch) und ein Dezernent für Stadtplanung (mit CDU-Parteibuch) hier keine Chancen mehr für sich sieht. Gregor Bonin, der vor seiner Wahl zum Dezernenten Vize-Chef im Amt für Stadtplanung war, ist wegen seiner Art und seiner Planungspolitik ohnehin nicht gelitten bei SPD und Grünen.

Er wird jetzt als guter Stadtplaner gelobt. In seiner Amtszeit entstanden Projekte wie der Kö-Bogen, der heftig umstritten ist, ein ebenso umstrittenes Luxusquartier mitten in der Altstadt an der Mühlenstraße, oder mehrere Hochhäuser im Medienhafen, die durchaus bekannte Architekten entwarfen. Was dem Planungs- und Bau-Dezernenten nicht gelang, ist beispielsweise der Neubau eines Albrecht-Dürer-Kollegs (der dringend nötig ist).  Ohnehin zeichnen sich die großen Projekte, die Bonin gerne vorstellte, als Renommee-Projekte aus und zogen eine veraltete Verkehrspolitik nach sich: Vierspurige Toulouser Allee, 4 Spuren geplant am Glasmacherviertel, aber wenig Radwege oder ÖPNV-Vorrang – das wurde oft genug von SPD, Grünen und Linken kritisiert.

Interessant am Kommentar der RP (zur Mediengruppe gehören ebenso Center-TV, und Zeitungen  im Kreis Mettmann sowie die NRZ Düsseldorf werden bekanntermaßen bereits mit RP-Artikeln beliefert) zum Dezernenten-Wechsel ist auch, dass dabei von „neuen Schulden“ die Rede ist. Das impliziert, dass es bereits Schulden der Stadt gibt. Was ja den Tatsachen entspricht, zumindest nüchtern und ideologiefrei betrachtet.

Neoliberalismus in Reinkultur  

Das dies aber „die Spielräume von übermorgen“ (RP-Kommentar) einschränke, ist Neoliberalismus in Reinkultur.

Die politische Diskussion auf „Schuldenfreiheit oder nicht“ zu reduzieren heißt Politik auf Finanzen und Ökonomie zu reduzieren. Das erinnert stark an den Satz des Philosophen Giorgio Agamben im ZEIT-Interview (27.August) : Dass die Ökonomie vom Knecht (der den Menschen dienen sollte) zum Herrn wurde. Und nun die Ideologie der Geldpriorität zu nichts anderem mehr diene als zu ihrer grenzenlosen Verlängerung ihrer selbst.

Eine politische Fragestellung aber fragt, wie dem Gemeinwohl gedient werden kann, und wie dies in einer Krise wie dieser gehandhabt werden könne, und wie das demokratisch gereglt wird - mit den Parteien, nicht nur vom OB allein.

Nach der neoliberalen Ideologie muss die öffentliche Hand sparen, dies ist ein Ziel a priori dieser Ideologie. Dies „Sparen“ oder auch keine Schulden machen gilt aber nicht für private Investoren.  

Schaun wir an Beispielen, wie die Maxime des „Sparens“ wirkt:

Ein Berufskolleg am Fürstenwall wird eklatant zu klein für fast 5000 Schüler. Es wird aber jahrelang nicht gebaut, weil es, sagen wir, 40 Millionen € kosten würde und die politische Mehrheit der Stadt etwas anderes priorisiert.

Die sogenannte Prioritätenliste für die Sanierung von Schulen umfasste weit mehr als 40 Aufgaben, sprich Schulen, aber da gespart wurde, „werden die Enkel der jetzigen Schüler in den Genuss von einigen Erweiterungen und Sanierungen kommen“, wie  es Günther Karen-Jungen (Grüne) vor Jahren einmal formulierte.

In manchen Schulen mit Hunderten oder Tausenden von Schülern wird  zwei Mal wöchentlich geputzt, die „Putzfrauen“ haben oft nur sieben Minuten für ein Klassenzimmer  – mit entsprechenden hygienischen Ergebnissen. Aber die  Ausschreibung bevorzugt den günstigsten Anbieter. Das ist auch eine Erfordernis beim Sparen.

Jedes Jahr wurden rund 240 Kinder an Gesamtschulen abgelehnt, weil nicht mehr genug Platz war in den vier Gesamtschulen. Neue wurden nicht gebaut, weil die CDU zum einen strikt gegen Gesamtschulen war, zum anderen war der Neubau zu teuer. Die Nachfrage der Eltern nach Gesamtschulplätzen wurde also ignoriert, dafür wurde Geld gespart.  (Jetzt ist der Bau von zwei neuen Gesamtschulen beschlossene Sache.)

Bereits 2012 warnten PolitikerInnen wie Klaudia Zepuntke (SPD) davor, dass sehr viele Vertriebene  / Flüchtlinge nach Deutschland  und damit Düsseldorf kommen würden und die Gebäude Lacombletstraße und andere als Unterkunft hergerichtet werden müssten. Bis 2014 – bis zur Kommunalwahl – ist aber gespart worden. Jetzt wird das teurer für die Stadt – und dabei sind wir bei einem Kernthema des Neoliberalismus.

Der Staat – die Stadt – soll sich aus sozialen Aufgaben zurückziehen und dies den privaten Unternehmungen überlassen.

Ein Beispiel ist dafür das Balletthaus, das kommende Woche offiziell eröffnet wird.

Die Compagnie der Oper brauchte dringend neue Räume zum Proben und Vorbereiten der Aufführungen.  Die frühere Stadtspitze – und damit auch der oben erwähnte Planungs- und Baudezernent – setzte auf PPP   (Public private partnership oder auch Öffentlich Private P). OB Thomas Geisel hat es im „Es gibt unglaublich viele Dinge, die liegengeblieben sind“ dargestellt, wie so etwas abläuft: Ein Investor baut auf eigene Rechnung das Balletthaus und vermietet es für 30 Jahre an die Stadt. Die Stadt zahlt nun eine jährliche Miete. Die ist selbstredend wie beim Wohnungsbau berechnet nach Investitionen und Abzahlung des Kredits, den der Investor aufgenommen hat. Die Stadt zahlt also die Kreditkosten des Investors mit. Hat aber mit der Abzahlung keine neuen Vermögenswerte geschaffen. Der  Vermögenswert steht in den Bilanzen des Investors, - der damit bessere Konditionen bei Aufnahme von Krediten bekommt, da er ja solvent ist.

Wenn der Investor übrigens insolvent wird, also Pleite geht, kann die Stadt ja nicht auf das Balletthaus verzichten. Also muss sie es zurück kaufen. So bereits bei anderen Projekten geschehen, man nennt das verräterisch „Heimfall“ des Projekts ...  Ein „Heimfall“ hat die Stadt übrigens bereits 25 Millionen Euro gekostet.

Die Stadtpolitik muss also jetzt entscheiden: Investieren wir im Sinne eines Gemeinwohls in neue Schulen und Erweiterungen? Und welche Prioritäten müssen jetzt gesetzt werden ? Im Sinne einer Daseinsvorsorge – zu der die Stadt ja verpflichtet ist – und im Sinne des Gemeinwohls wird das gar nicht ohne neue Schulden gehen. Die Frage ist nur, wie die berechnet und wo die verbucht werden. Denn die mehr als 300 Millionen Euro, die die Stadt auf politischen Beschluss der damaligen Mehrheit alleine, ohne Bundes- oder Landeszuschüsse für die Kö-Bogen-Tunnel schultern wollte, kann sie ja nicht zurückholen.

Angesichts der jetzigen Finanzsituation steht nicht an erster Stelle, über die Besetzung neuer Dezernenten zu diskutieren. Die Frage ist eher, wie neue Schulen, Kitas, Unterkünfte und bezahlbare Wohnungen gebaut werden können.  Und wie weit dabei eine neoliberale, wirtschaftsnahe Ideologie des „Sparens“ die Entscheidungen bestimmen darf. Und das müssen noch immer die PolitikerInnen im Rat mit Mehrheit entscheden – nicht nur ein OB allein. As war früher mal so.

Übrigens ist die Kategorisierung „links“ im RP-Kommentar doch irgendwie gewagt bei einer Kooperation von SPD, Grünen und FDP ...  

 (Text Jo Achim Geschke)