Sternverlag – ein Kommentar

Sternverlag : Scheitern war abzusehen

Von Jo Achim Geschke |

Alte Bücher / Foto Jo Achim Geschke NDOZ.de

Es ist ein Märchen, dass der Sternverlag nur durch den Online-Buchversand in die Pleite gegangen ist. Das Scheitern eines Buch-Kaufhauses war abzusehen, schon vor Jahren. Dass der Sternverlag im nächsten Frühjahr schließen muss, liegt auch an der immer weiter um sich greifenden Konzentration in der Wirtschaft auf wenige, riesige Konzerne. Die können, wie etwa die Mayersche an der Kö, dicke Mieten bezahlen, auch wenn sie die nicht einspielen. Und die Ecke Kö / Blumenstraße ist nun mal eine hervorragende Lauflage mit vielen potentiellen Kunden. Dazu kommt, ganz nüchtern betrachtet, eine zu späte Reaktion des Buchhaus-Managements auf veränderte Lese- und Kauf-gewohnheiten.

Glauben sie, dass so ein Buch- Primark wie die Meyersche die horrenden Mieten an der Ecke Kö einspielen kann? Warum hält sich denn ein solches Buch-Kaufhaus auf mehreren Etagen so lange? Weil der dahinter stehende Konzern mit Zig Läden in einer Mischkalkulation die Verluste verrechnen kann.

Buchhandlungen schlossen schon vor dem Online-Handel

Vor etwa zehn, 15 Jahren haben wir schon beklagt, dass Buchhandlungen in den Stadtteilen dicht machen mussten.  In Friedrichstadt gab es 1994 noch Buchhandlungen etwa auf der Loretto- und Friedenstraße,  noch früher gab es an der Ecke Berliner Allee/ Graf-Adolf-Straße eine Buchhandlung (von Gossens übrigens, der heute in Oberkassel eine Buchhandlung hat), auf der Hohe-Straße gab es einen Buchladen, .... die gibt es alle nicht mehr. Weil es sich immer weniger lohnte, weil die steigenden Ladenmieten die sinkenden Umsätze auffraßen. Weil immer weniger Menschen Bücher kauften. Und dass sie geschlossen haben, lag damals nicht am Online-Buchhandel, den es ja noch gar nicht gab. (Auf der Lorettostraße in Unterbilk gibt es heute Weinläden und teure Baby-Klamotten ... )

Wer hat denn Geld übrig für Bücher?

Die Menschen lesen wieder mehr, hieß es immer wieder. Was lesen sie denn, vor allem aber: Was kaufen sie denn? Reisebücher, Ratgeber, und vielleicht andere Sachbücher, und wer etwas mehr Geld hat, kauft Belletristik aus der Bestsellerliste vom Spiegel oder der Süddeutschen Zeitung. Gute Bücher sind teuer geworden.

 Laut Wohlfahrtsverbänden gibt es rund 70.000 arme Menschen in Düsseldorf, die kaum richtig zu essen einkaufen können. Rund die Hälfte aller Haushalte in Düsseldorf hat Anrecht auf eine Sozialwohnung (WBS, Wohnberechtigungsschein), verdient also nur ein mittleres Einkommen, dass bei den hohen Mieten hier schnell aufgefressen ist. Die Einkommensgrenze für eine Sozialwohnung mit WBS liegt für einen 2-Personenhaushalt laut Stadt bei 32.954 Euro – brutto, vor den Abzügen also. Was bleibt denn da noch für Bücher?

 Heute sind die Verlage in der Hand von einer Handvoll großer Konzerne. Bertelsmann und Random House sind einige große, zu ihnen gehören früher mal kleine feine Verlage. Dazu kommen Springer und die frühere WAZ, heute Funke Mediengruppe im Zeitungs/ Zeitschriftenverlagsgeschäft. Und auch die Buchhandlungen haben diesen Konzentrationsprozess erlebt. Seit einigen Jahren machen Thalia oder auch die Meyersche an der Kö das Rennen um Umsätze in Düsseldorf. Ein Konzentrationsprozess, der im Neoliberalismus eben auch die Buchhandlungen nicht verschont. Und Thalia wird auch nicht lange in den mediokren Bilker Arkaden bleiben wollen. Zu Thalia gehören mehr als 200 Filialen, die könnten auch zumindest einen Teil des Stern-Verlags übernehmen.

 Buchhandlungen mit klarem Profil hielten sich

 Der Sternverlag galt bei vielen literarisch interessierten als Buch-Kaufhaus. Das Angebot war breit – es gab eben alles, und deshalb gab es in einigen Sparten eben auch mal weniger. Der größte Management-Fehler aber war wohl, nicht früh genug die Bedrohung durch Online-Handel und große Konkurrenten erkannt zu haben. 5000 Quadratmeter Fläche – etwas weniger und eine klares Profil hätten wohl eher gut getan. Und der Trend, dass Menschen am Laptop und heute am Tablett Bücher lesen, war schon vor zehn Jahren erkennbar.

 Seit Jahren halten sich dagegen Buchhandlungen, die ein klares Profil haben: König mit den Kunstbüchern, Müller & Böhm im Heine Haus mit den anspruchsvollen Lesungen und dem klaren literarischen (und auch philosophischem) Sortiment, das Kollektiv Bibabuze mit früher kritischer, heute mit neuer Literatur und Lesungen ebenso wie mit immer noch kritischer Literatur und Sachbüchern. Dazu kommen Buchläden wie in Gerresheim oder Benrath, und auch in Oberkassel, die ihr Stammpublikum (noch) im Stadtteil haben. Und ebenso beispielsweise eine höchst erfolgreiche, weil stark besuchte Stadtbibliothek in Bilk.

 Es stimmt, dass vor allem jüngere Menschen eher am Tablett oder Laptop lesen. Aber auch die lesen noch Bücher. Die Stadtbibliothek Düsseldorf hat bemerkenswert weitsichtig auf die Entwicklung reagiert und digitale Angebote sowie eine Online-Bibliothek angeboten. Was zu steigenden Ausleihe-Zahlen führte – 5 Millionen Ausleihen in diesem Jahr. Wobei Koch-, Reise, und Ratgeber-Bücher wohl auch da einen großen Anteil haben. .

 Mangelnde Bildung – weniger Bücher

 Wer heute bedauert, dass der Stern-Verlag schließen wird, muss bei aller Nostalgie („wir haben da immer gekauft“) auch bedauern, dass Bildung heute kein hohes Gut mehr ist, auch wenn das alle Parteien betonen. Die Kompetenz in Rechtschreibung ist teils minimal, die Kenntnis allein von deutscher Literatur nach verkürztem Abi möchten wir in Bachelorarbeiten bei Germanisten lieber gar nicht nachprüfen. Von Medienwissenschaft gar nicht zu reden.

Und wenn das Geld (siehe oben) zu knapp ist für Bücher, und es kein eigenes Zimmer für Kinder gibt, um gut und ruhig lernen zu können ...

 Fragen sie in ihrem Bekanntenkreis doch mal nach: Wer hat Julie Zeh gelesen? Wer kennt mehr als ein Gedicht und einen Text von Kurt Tucholsky? Was kennen sie von Erich Kästner? Was haben sie von Büchner gelesen?  Kennen sie Karl Kraus? Haben sie schon mal was von Lichtenberg gelesen? Oder Arno Schmidt ? Oder gar „Insel Felsenburg“?  Wer kann drei deutsche Philosophen der Neuzeit nennen (Adorno, Habermas, Walter Benjamin ? - bitte nicht Prechtl, der ist eigentlich kein Philosoph, und erst recht nicht Heidegger)?

 Nein, es ist nicht nur der böse Online-Versandhandel, es ist der Mangel an Bildung und der Mangel an Vorbildern, die statt in Talkshows mal um 18 Uhr oder 20:15 Uhr Bücher empfehlen, oder wenigstens in Talkshows mal auf Bücher verweisen.  Und es ist eine zunehmende Konzentration auf  wenige Medienkonzerne, die es Buchhandlungen (bei einer Gewinnspanne  von oft nur 5 Prozent) schwer machen, zu bestehen.

Und dazu kommt vor allem: Sehr viele Menschen haben heutzutage nicht genug Geld, um sich Bücher zu kaufen.

 

(Und bevor die Kommentare einlaufen: Ja, auch der Autor hat in den letzten Jahren Bücher gekauft: Bei Bibabuze, bei Müller & Böhm im Heine-Haus - und auch im Stern-Verlag, dort vor allem Sachbücher zum Segeln und Boot fahren.)

 (Text Jo Achim Geschke)