"60 % der OGS-Kräfte können von ihrem Job nicht leben"

Neues OGS-Konzept in Düsseldorf: GEW warnt vor Qualitätsverlust

OGS in Düsseldorf heißt nicht nur Hausaufgaben – auch Kreativität und Spiel gehören dazu. / Foto: Mike Fox, unsplash
OGS in Düsseldorf heißt nicht nur Hausaufgaben – auch Kreativität und Spiel gehören dazu. / Foto: Mike Fox, unsplash

OGS in Düsseldorf heißt nicht nur Hausaufgaben – auch Kreativität und Spiel gehören dazu. / Foto: Mike Fox, unsplash

Mit Beginn des Schuljahres 2025/26 hat die Stadt Düsseldorf ein neues Modell für die Offene Ganztagsschule (OGS) eingeführt. Ziel ist es, den ab 2026 bundesweit geltenden Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung frühzeitig umzusetzen. Während die Stadt dies als Fortschritt und mehr Wahlmöglichkeiten für Familien darstellt, warnt die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) vor Qualitätsverlust, Überlastung der Schulleitungen und Sparmaßnahmen zulasten von Kindern und Personal.

Kritik der GEW: „Spielball der Stadtpolitik“

Die GEW kritisiert, dass die Grundschulleitungen durch die kurzfristige Einführung des neuen Modells stark belastet seien.

Sie seien „noch nicht wirklich zu ihrem eigentlichen Geschäft der SCHUL-Leitung, Unterrichtsbegleitung und -planung gekommen“.

Zudem handle Düsseldorf vorzeitig, bevor das Land NRW verbindliche Vorgaben erlasse.

Sorge bereitet der Gewerkschaft insbesondere die geplante stärkere Unterscheidung zwischen Fach- und Hilfskräften. Man befürchte Einsparungen und damit Qualitätsverluste im Ganztag. Auch Bildungsanbieter könnten durch die neuen Zeitmodelle eingeschränkt werden. „Die Eltern sind zu Recht verunsichert“, heißt es weiter.

Eltern zwischen Planungssicherheit und Sorge um Qualität

Nach Angaben der Stadt können Eltern nun zwischen drei Zeitmodellen wählen – Betreuung bis 14 Uhr, bis 15 Uhr oder bis 16 Uhr. Während Spiel- und Freizeitangebote in allen Varianten vorgesehen sind, gibt es Gruppenaktivitäten und Bildungsangebote nur bei längeren Betreuungszeiten. Auch die monatlichen Beiträge sind angepasst und einkommensabhängig gestaffelt – von beitragsfrei bis maximal 180 Euro zuzüglich Kosten für das Mittagessen .

Die Verwaltung betont, dass die neuen Modelle mehr Flexibilität schaffen und die Umsetzung des Rechtsanspruchs absichern sollen. Gleichzeitig fürchten viele Eltern, dass kürzere Betreuungszeiten und weniger Bildungsangebote zu Lasten der Vereinbarkeit von Familie und Beruf gehen könnten.

Alle Informationen zu den Angeboten, Kosten und Anmeldemöglichkeiten hat die Stadt online gebündelt: Ganztagsbetreuung in der Grundschule

 

Ergebnisse der GEW-Umfrage und Forderungen

Laut einer landesweiten GEW-Umfrage unter knapp 2.900 Beschäftigten im Offenen Ganztag und an Grundschulen zeigt sich ein deutliches Bild:

  • 95 % der Befragten arbeiten gerne in der OGS.
  • 60 % können von ihrer Tätigkeit finanziell nicht leben und sind auf Zweitjobs angewiesen.
  • 37 % arbeiten ohne Tarifvertrag und sind damit schlechter abgesichert.
  • 54 % würden gerne mehr Stunden arbeiten, können dies aber häufig nicht.
  • 80 % des OGS-Betriebs findet in normalen Klassenräumen statt, die nicht für Nachmittagsangebote geeignet sind.
  • 65 % berichten von regelmäßigen Konflikten wegen der Raumsituation.

Die GEW NRW fordert deshalb:

  • flächendeckende tarifliche Bezahlung und die Möglichkeit freiwilliger Stundenaufstockung,
  • mehr Zeit für pädagogische Qualität, Vorbereitung und Fortbildung,
  • verbindliche Abstimmungen zwischen Schule und OGS sowie die Integration der OGS-Mitarbeitenden in die Schulentwicklung,
  • bessere räumliche Bedingungen mit Rückzugsorten und multifunktionalen Räumen,
  • eine klare gesellschaftliche Aufwertung der OGS-Arbeit als Bildungsauftrag.

 

Politischer Kontext

Die GEW sieht nicht nur die Stadt, sondern auch das Land NRW in der Pflicht. Während Düsseldorf mit dem neuen Konzept vorpresche, gebe es aus Sicht der Gewerkschaft noch immer keine klaren gesetzlichen Rahmenbedingungen vonseiten der schwarz-grünen Landesregierung. In ihrer Stellungnahme spricht sie von einem „Versagen auf allen Ebenen“.

Brisant ist die Debatte auch wegen des Wahlsonntags: Am 28. September entscheiden die Düsseldorfer:innen zwischen Amtsinhaber Stephan Keller (CDU) und Herausforderin Clara Gerlach (Grüne). Beide betonen im Wahlkampf die Bedeutung von Kinderbetreuung und Ganztag. Die GEW fordert jedoch, dass die politischen Zusagen über den Wahltermin hinausgehen und zu verbindlichen Verbesserungen für Schulen, Eltern und Personal führen.

Mit dem neuen OGS-Konzept will Düsseldorf beim Ganztag eine Vorreiterrolle einnehmen. Die Gewerkschaft sieht dagegen die Gefahr, dass Qualität und Arbeitsbedingungen auf der Strecke bleiben. Ob das neue Modell im Alltag funktioniert, wird sich spätestens mit dem Inkrafttreten des bundesweiten Rechtsanspruchs 2026 zeigen.