Stadt leiht bei Messe kurzfristig Geld

Von wegen Pleite – Plädoyer für mehr Sachlichkeit

Von Jo Achim Geschke |

Tunnel Kö-Bogen Archiv/ Foto Archiv Jo Achim Geschke NDOZ.de

Die Stadt leiht sich kurzfristig Geld bei der Messe, an der sie ja beteiligt ist. Kein ungewöhnlicher Vorgang, auch wenn es 40 Millionen Euro sind. Denn der kurzfristige „Kredit“ dient einer Stadtkasse, deren Rücklagen durch vor allem die Ausgaben für die Tunnel der Wehrhahnlinie, die Kosten der Wiederaufforstung und die Unterbringung von Flüchtlingen fast aufgezehrt sind. Das war alles bekannt. Jetzt aber wird ein kurzfristiger Kredit, der bei der Messe einen Bruchteil an bankenüblichen Zinsen kostet und für die Rückzahlung von Gewerbesteuern benötigt wird, aufgebauscht. Und das mit Gedächtnislücken bei einigen Politikern.

Sie haben einen Kredit – ja, dann sind sie ja Pleite! Nicht ? Aha. Sie kurbeln damit sogar die Wirtschaft an ? Weil mit ihrem Geld Waren gekauft, Handwerker bezahlt werden ? Und die Industrie spart, es wird weniger investiert ... der Staat spart auch, es wird weniger investiert ... schlecht für alle, sagen Sie? Weil zu wenig Straßen repariert wurden etc ? Aha .

Im Haupt- und Finanzausschuss am Montag hatte die Kämmerin Dorothee Schneider die Klammheit der Stadtkasse dargestellt. Gewerbesteuern müssen zurückgezahlt werden, wie Zeitungen übereinstimmend berichten. Aber zugleich wartet die Stadt auf die quartalsmäßige Zahlung von Gewerbesteuern, die nur viermal pro Jahr gezahlt werden.  Ein kurzfristiger Kredit bei der Messe kostet nur wenig Zinsen.

Um kurzfristige Ausgaben abzudecken, hatte die Stadtkasse sich schon in den vergangenen Jahren öfter mal Geld geliehen, das hatte der damalige Kämmerer Abrahams in Ausschüssen und m Rat berichtet. Insofern also auch jetzt nichts ungewöhnliches.

Zudem ist die sogenannte Schuldenfreiheit längst nicht gegeben – das hatten Statistisches Landesamt („IT NRW“) und auch der Steuerzahlerbund 2014 den Parteien und der damaligen (CDU geführten) Stadtspitze bereits vorgerechnet.

Dass diese mythische Schuldenfreiheit nun schleichend enden wird, ist auch mit Vergesslichkeit behaftet: Alle Zeitungen hatten Ende vorigen Jahres berichtet, dass die sogenannte Schuldenfreiheit wohl beendet ist, da die Rücklagen fast aufgebraucht  sind – und dies ein Knackpunkt in der Auseinandersetzung zwischen den Ampel-Parteien ist.

Die Stadt war durch fast 300 Millionen Euro für die Kö-Bogen-Tunnel belastet, dazu kommen zweistellige Millionenkosten für die Wiederaufforstung nach dem Orkan „Ela“, und die Unterbringung der Flüchtlinge stehen mit mindestens 90 Millionen Euro auch zu Buche. Soweit zur Finanzlage einer Stadt, die durch einige in der Vergangenheit gestartete Großprojekte, die damals Gesamtpriorität hatten,  arg belastet ist.

Kein Anlass zur Panik

Die Grünen sehen jetzt den kurzfristigen Kredit durchaus nicht als Panikanlass: „Der Kredit zur Sicherung der Liquidität ist an sich kein ungewöhnlicher und kein neuer Vorgang. Auch in der Vergangenheit hat die Kämmerei vorübergehende Lücken, die sich im Jahresverlauf ergaben, durch Kredite geschlossen, beispielsweise mit dem Stadtentwässerungsbetrieb. Überraschend sind vielmehr der Zeitpunkt und die Kurzfristigkeit“, so Grünen-Sprecherin Angela Hebeler. 

Aus Sicht der Grünen konnte Kämmerin Schneider die Hintergründe der Liquiditätslücke im Finanzausschuss heute nachvollziehbar erläutern. Hebeler: „Wir begrüßen, dass die Kämmerin die Situation heute transparent dargestellt und erläutert hat. Trotzdem müssen wir die mittelfristige Liquiditätsplanung weiterentwickeln, transparenter gestalten und beispielsweise die Höhe Inanspruchnahme des Kreditrahmens im Verlauf des Jahres darstellen.“

So viele Beschlüsse zu Schulsanierungen wie bei dieser Tagesordnung des Finanzausschusses hatten wir ja selten ... aber das wollen einige nicht bemerken.

Faktenverdrängung bei der CDU

Ausgerechnet die CDU poltert nun los und polemisiert gegen OB Geisel, führt absurderweise die Tour de France gegen Schulbauten ins Feld. Die CDU hat in ihrer Zeit dafür gesorgt, dass der Schulbau und die Schulsanierung auf die lange Bank geschoben wurden und hinter der absehbaren Entwicklung zurück blieben. Es sei daran erinnert, dass beim sagenhaften „Masterplan Schulen“, den der frühere CDU-OB immer verklärend anführte, von seinen angeblichen 30 Millionen € lediglich zehn bis elf Millionen Euro ausgeben wurden. European Song Contest ESC  und noch früher ein DTM-Auftakt haben die Stadt früher immens Geld gekostet, während die Schulsanierung stockte. Die Liste des CDU-Masterplans für Schulsanierungen hatte weit über 40 Punkte – für Sanierungen bis nach dem Jahr 2025 und noch später.  Jetzt plötzlich auf schnelle Schulsanierung zu pochen scheint doch eine durchsichtige Polemik.

Die CDU-Fraktionsspitzen Rüdiger Gutt und Andreas Hartnigk verlangen aber nun (Zitat) „eine nachhaltige Haushalts- und Finanzpolitik: „Wir fordern seit langem eine Gesamtprioritätenliste aller Investitionsvorhaben bis 2020. Diese Liste muss jetzt auf den Tisch. OB Geisel soll sich endlich entscheiden: In der Krise sind neue Kitas und Schulen wichtiger als die Tour de France.“

Wobei anzumerken ist, dass erst seit dem Politikwechsel zu den Ampelparteien Grüne, SPD und FDP und OB Thomas Geisel mehrere Schulprojekte nach jahrelanger Wartezeit endlich auf den Weg gebracht wurden, etwa die Gesamtschule und das neue Albrecht-Dürer-Berufskolleg, und die Sanierung von Schulen zügig vorangeht ...

OB Geisel als Verwaltungschef sollte allerdings schnell klären, dass der Start der Tour de France 2017 auch Sponsoren hat. Firmen, die da werbemäßig einsteigen, machen das ja für das Image der Stadt, und nicht für einen SPD-Oberbürgermeister.

(Text Jo Achim Geschke)