Ringen um den Etat 2016 und Stadtsparkassen-Drama

Auswegsuche aus der Sackgasse des ideologischen Sparzwangs

Von Jo Achim Geschke |

Im Rathausdreht sich alles ums Geld/ Montage Jo Geschke NDOZ.de

Die Fraktionsspitzen der Ampel-Parteien haben sich am gestrigen Montag mit OB Thomas Geisel getroffen, um den städtischen Haushalt 2016 vorzubereiten. Die Stadtkasse ist klamm, die Rücklagen sind längst abgeschmolzen. Denn die Stadt zahlt ja noch immer die Folgen der teuren Kö-Bogen ab. Angeblich fehlen im Etatentwurf 35 Millionen Euro. Das wäre nicht besonders viel bei einem Gesamtetat von 2,4 Milliarden Euro. Allerdings kommen auf die Stadt, siehe NDOZ-Interview mit Flüchtlingsbeauftragter Miriam Koch, noch erhebliche Kosten zur Unterbringung von Flüchtlingen zu. Ebenso für die Folgen des Sturms Ela. Und nicht ganz klar ist, ob der Kämmerer die Ausschüttung der 22,5 Millionen Euro, die OB Thomas Geisel bisher vergebens von der Stadtsparasse fordert, im Etatentwurf eingerechnet hat. Zum Sparkassen-Hickhack am Textende.

Die Fessel der Spar-Ideologie

Die gesamte Haushaltsdebatte steht allerdings unter der Motto der neoliberalen Ideologie des „Wir müssen sparen“ und „keine Kredite der schuldenfreien Stadt“.

Das ist, mit Verlaub, undurchdachter Unsinn.

Die RatsvertreterInnen sind dem Wohl der Bürger verpflichtet. Wenn nun das Gemeinwesen beispielsweise eine neue Gesamtschule braucht, weil an den bestehenden jährlich 250 Kinder abgewiesen werden müssen, ein Bau ohne Kredite aber nicht zu stemmen ist – dann müssten nach der Ideologie des „Sparens“ die Kinder woanders hingehen und auf ihre bevorzugte Schulform verzichten.

Wenn die Kosten für die Unterbringung von Flüchtlingen nicht mehr zu stemmen ist, es aber eine Förderung mit niedrigen von der NRW-Bank für den Bau von Flüchtlingsunterkünften gibt -  dann muss die Stadt nach der Ideologie des Sparens auf die günstigen Investitionen für die Zukunft verzichten und die Unterbringung der Flüchtlinge provisorisch lösen.

Wenn eine Containeranlage für Flüchtlinge wie zurzeit monatlich 70.000 Euro Miete kostet, sind das pro Jahr 840.000 Euro, in zwei Jahren 1,6 Millionen ... Dafür kann man ein Haus bauen, das länger als zwei Jahre hält. Wenn man bereit ist, Kredite für eine sinnvolle und nachhaltige (auf Jahre sich etwa durch Vermietung etc)  rentierende Investition aufzunehmen. Die Ideologie des Sparens um jeden Preis verhindert das.  Obwohl es einmalig niedrige Zinsen bei der NRW-Bank für den Bau von Flüchtlingsunterkünften gibt...

Die Ideologie des Sparens um jeden Preis hat eine fatale Auswirkung: Wenn die Kommune (der Staat, das Land) sich aus Finanzierungen zurückzieht, weil sie keine Kredite aufnehmen will, geht das Geschäft oft an private Investoren – die Gewinne machen wollen (und müssen). Heißt: Ein Balletthaus wird nicht eigenfinanziert (mit einem günstigen Kredit), sondern von einem Investor gebaut und dann von der Stadt 30 Jahre angemietet ... die Kosten kann sich jeder ausrechnen. (Die Verträge wurden in der vorigen Legislaturperiode gemacht.)

Gerade die FDP und auch die Grünen wären eigentlich gut beraten, wenn sie über die Auswirkungen eines Sparens um jeden Preis mal ganz alternativ nachdenken würden. Denn Sparen um „schuldenfrei“ zu sein (was die Stadt ja längst nicht mehr ist) heißt auch, wichtige Investitionen für die Zukunft zu verschieben – meist zum Nachteil der Bürger. (Zumal es zurzeit äußerst billige Kredite gibt).

Es ist im Grunde die einfache Frage: Wollen wir in Geld und Preisen denken oder in Werten.

Mutmaßungen über den Etat 2016

Das Verfahren ist immer das gleiche: Der Kämmerer stellt mit dem OB als Verwaltungsspitze den Etatentwurf zusammen. Den diskutieren die Parteien, fassen Änderungsbeschlüsse zu Einnahmen und Ausgaben und dann wird im Dezember der Haushalt 2016 beschlossen. Dass OB Geisel schon jetzt mit den Mehrheitsparteien der Ampel spricht, liegt an der veränderten Politik-Kultur im Rathaus. Aber auch an dem demokratischen Grundsatz, dass die Politik der Verwaltung die Aufgaben stellt.

Die Fraktionen prüfen nun verschiedene Möglichkeiten, zu sparen. Über eine Kita-Gebühr für besser verdienende mit Jahreseinkommen von 50.000 bis 70.000 € darf sicherlich nachgedacht werden – aber die ist bereits nach großem Presserummel vom Tisch.

Ein Verkauf der Flughafenanteile (die Stadt hält rund 50 % ) ist ebenfalls in der Diskussion. Die Gewerkschaft Verdi warnte bereits, denn die Stadt würde damit ihren Einfluss – etwa auf Lärmminderung und Situation der Beschäftigten – verlieren. Also eigentlich mit der SPD kaum machbar, auch wenn das angeblich 300 Millionen Euro bríngen soll. Die Stadt hatte bereits beim Verkauf der Stadtwerkeanteile heftigen Protest bis  hin zum Bürgerbegehren geerntet.

Personal: Es soll gespart werden, auch an Stellen. Das kann aber auch geschehen durch eine effektivere Arbeitsorganisation, denn dann können Mitarbeiter innerhalb der Verwaltung anders eingesetzt werden. Zudem sollten, so ein Personalprofi, auch die Mitarbeiter ihre Ideen zu einer anderen Organisation der Verwaltungsarbeit äußern – eventuell mit einer Prämie für Verbesserungsvorschläge. Das würde auch die Motivation der Mitarbeiter stärken. Wie bei wachsende Aufgaben eine Summe von 32 Millionen Euro im Personaletat gespart werden soll, ist auch nicht ganz klar.

Der Hickhack der Stadtsparkasse

Der Vorstand der Stadtsparkasse und das Aufsichtskontrollgremium hatten sich geweigert, aus dem Gewinn des kommunalen Geldinstituts einen Anteil an die Stadtkasse – Mitinhaber der Stadtsparasse – auszuschütten. Der Überschuss lag bei 140 Millionen Euro. OB Geisel  forderte angesichts der vielen zusätzlichen Aufgaben der Stadt (Flüchtlinge, Sturm Ela,) eine Ausschüttung von 25 Millionen Euro.  OB Geisel ist Vorsitzender des Verwaltungsrats der  Stadtsparkasse.

Im Verwaltungsrat haben allerdings die CDU-Vertreter und die Vertreter der Mitarbeiter gegen eine Ausschüttung gestimmt. Das ist ein Novum. Denn bisher hatte beispielsweise die CDU unter dem vorherigen OB Elbers (CDU) immer vehement für eine Ausschüttung gestimmt, da sie ja der „schuldenfreien“ Stadt zugute kam. Wenn Geisel aber jetzt weniger Geld hat, kann die CDU ihm das ankreiden ...

OB Geisel versuchte daraufhin in mit dem Vorstandsvorsitzenden Arndt M. Hallmann nach einem Kompromiss – und wäre mit 22,5 Millionen Euro  Ausschüttung zufrieden gewesen. Allerdings weigerte sich Hallmann weiterhin. In den Sitzungen des Verwaltungsrats versuchte OB Geisel in Einzelgesprächen den Kompromiss zu schaffen – vergeblich. Dann trickste die Stadtsparkasse: Die geforderte Ausschüttung sei  viel zu hoch, denn die Stadtsparkasse müsse wegen Basel III und drohender Zinsverluste 170 Millionen Rückstellung leisten. Damit verringerte sich in der Bilanz und die Ausschüttung. Allerdings nutzte OB Geisel dann das Recht als Vorsitzender des Verwaltungsrats und beanstandete den Beschluss. Ein in Deutschland ziemlich einmaliger Vorgang, der denn auch bundesweites Interesse zeitigte.

Nach Informationen von NDOZ.de waren bei der Sitzung auch die Bafin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht )  sowie die Vertretung des Finanzministeriums als Aufsichtsbehörde  dabei. Die Sparkassenaufsicht des Finanzministeriums ist zuständig für die Beanstandung des Verwaltungsratsbeschluss gegen eine Ausschüttung von 22 Millionen €. Nach Informationen von NDOZ.de will die Sparkassenaufsicht des Ministeriums zunächst mal eine detaillierte Erklärung für eine Rückstellung von 170 Millionen € - die ist unter Finanzexperten höchst umstritten.  Denn die Begründung liegt laut Sparkassenvorstand in einem Risiko von Zinsänderungen in der Zukunft. Das möchte die Sparkassenaufsicht im Finanzministerium nun doch mal detailliert und nachvollziehbar erklärt haben. Ende offen? Wohl kaum: Wenn das Finanzministerium den Beschluss des Verwaltungsrats beanstandet, kann Vorstand Arndt M. Hallmann gehen. Und eine Ausschüttung ist dann wahrscheinlich.

(Text Jo Achim Geschke  NDOZ.de)