Corona Schulstart : Kritik – keine Schulen ab 20. April öffnen

Corona: Schul-Neustart nach den Ferien oder „der große Irrtum“- bitte mal die Fakten beachten

Von Jo Achim Geschke |

Schul-Tafel mit Maske und Waschbecken / Foto Montage © Jo Achim Geschke

Vor 4 Jahren hat die Leopoldina noch empfohlen, 1300 Krankenhäuser in Deutschland zu schließen, die seien überflüssig. Jetzt empfiehlt die Leopoldina wieder etwas, und das entlarvt im Bereich Schulen wieder mal, dass die angeblich rein wissenschaftliche Leopoldina ein neoliberales, konservativ-marktgläubiges Gremium ist, das durchaus Politik macht und zudem im Bereich Schulen offenbar die Ansteckung von Kindern und Lehrern riskieren will. Die in Düsseldorf entstehende Debatte um einen Brief von OB Thomas Geisel an NRW Ministerpräsident Laschet CDU muss dagegen etwas ausführlicher betrachtet werden. Zudem haben jetzt die Gewerkschaft GEW in NRW mit Elternverbänden und dem DGB NRW eine Stellungnahmen veröffentlicht, Kern ist: Schulen können vorerst nicht sicher geöffnet werden, bevor nicht Rahmenbedingungen wie Sicherheit für Schüler und Beschäftigte und Hygiene-Standards gesichert sind. Aber die NRW-Schulministerin Gebauer will nach den Osterferien schrittweise die Schulen öffnen.

NRW Minister Joachim Stamp FDP schloss am Dienstag in der „Welt“ zunächst aus, dass Schulen und Kitas nach dem 20. April öffnen würden. Kenner der Materie wissen: Geht auch gar nicht. Aber Ministerin Gebauer (FDP), so berichtet der Spiegel, will Prüfungen und Schulbetrieb aufnehmen. (www.spiegel.de/politik/deutschland/corona-krise-ministerin-will-schulen-nach-osterferien-schrittweise-oeffnen-a-41d046fd-ac4c-4627-95b8-91e1b0adfdcc )

Die Landesregierung verhandle noch wegen Hygiene-Maßnahmen mit den Schulträgern, zum Beispiel Händewaschen solle eingeübt werden … Nunja: Fakt ist: In den meisten neueren Klassenräumen sind Waschbecken in den Klassen nicht mehr vorhanden. Und der bereits diskutierte Vorschlag, mit 15 Schüler_innen im Raum zu unterrichten? Fakt ist: Es gibt Klassen mit 33 Schüler_innen, macht also drei mal einen Raum – und dreimal Lehrer_innen dafür… dazu kommt, dass die Bezirksregierung als Mittelbehörde für das Schulministerium alles vorschreiben müsste: In Deutschland ist alles genau geregelt, auch, wie viele Stühle in einem Klassenraum stehen dürfen etc.. … Das muss also für die Schulleitungen erst mal  formuliert werden.

Und wenn Eltern mit zwei Kindern eines nicht in die Schule schicken – was ist mit der gesetzlichen Schulpflicht? Gibt es dann Klagen?

Vorweg muss klar sein, dass OB Thomas Geisel die Pflicht hat, sich um mögliche Öffnungen von Geschäften, Kneipen etc und auch Schulen zu kümmern. Denn die Corona-Pandemie hat zu Einschnitten bei Grundrechten geführt, etwa bei Schließungen von Eigentum, Einschränkungen der Bewegungsfreiheit und Bildung an Schulen. OB Geisel muss also zusehen, wie und ob diese Einschnitte der bürgerlichen Grundrechte möglichst bald wieder hergestellt werden können in einer Demokratie.

Es geht aber hier um das, was um Ostern herum so veröffentlicht wurde.  Die aktuellen Informationen teilen sich in zwei Bereiche: Zum Einen Düsseldorfs OB Geisels Brief und die Kritik an möglichen Öffnungen etwa von Schulen vom DGB und der Gewerkschaft Erziehung GEW, und 2) Kritik an den sogenannten Empfehlungen der konservativen Leopoldina, die keineswegs nur Wissenschaft publiziert.

Düsseldorf, Schulen und Kritik

Ob Thomas Geisel hatte am 9. April an Ministerpräsident Armin Laschet CDU geschrieben.  Neben der Öffnung von Spielplätzen und Jugendclubs regt OB Geisel an, Schulen wieder zu öffnen.  Zitat: „Grundsätzlich hielte ich es für erwägenswert, die Schule wieder generell

zu öffnen. Sollte dies aus Sicht der Landesregierung nicht in Frage kommen, wäre es sicher sinnvoll, solange Abstandsregelungen, Gruppen- bzw. Klassengrößen und weitere Schutzmaßnahmen für vulnerable Gruppen gelten, zunächst die Abschlussklassen der

weiterführenden Schulen und Klasse 4 der Grundschulen den Unterricht wieder aufnehmen zu lassen und die weitere Unterrichtsaufnahme zeitlich zu staffeln. Denkbar wäre auch eine Verlängerung und/oder ein Vorziehen der Sommerferien (aktuell: 29.06. - 11.08.2020) und einen geordneten Start danach.“

In der gestrigen Presseerklärung der GEW NRW und Elternorganisationen, sowie des DGB NRW heißt es : „Schulen können nur wieder öffnen, wenn Gesundheits- und Infektionsschutz für alle Beteiligten gewährleistet werden. „Wer die Öffnung von Schulen befürwortet, muss für entsprechende Rahmenbedingungen sorgen. Die Gesundheit der Schülerinnen und Schüler sowie der Beschäftigten muss Vorrang haben. Wir brauchen einen Stufenplan, der die Voraussetzungen benennt. Sind diese nicht gegeben, kann es eine Lockerung nicht geben“, forderte die DGB Bezirksvorsitzende Anja Weber. „Aus unserer Sicht sind mindestens die Bereitstellung von ausreichend Waschbecken, Seife und Einmalhandtüchern, sowie Desinfektionsmittel und Toiletten mit entsprechender hygienischer Ausstattung zwingend“, so Ralf Radke, Vorsitzender der Landeselternschaft der integrierten Schulen in NRW (LEiS NRW). Erforderlich seien eine mindestens tägliche Reinigung nach entsprechenden Standards des Infektionsschutzes, Regeln für regelmäßigen Luftaustausch sowie Schutzmasken für unsere Kinder und die Beschäftigten. Hierfür brauchen die einzelnen Schulen Hygienekonzepte in Abstimmung mit Schulaufsicht und Schulträger und unter Verantwortung des lokalen Gesundheitsamtes.“

Erinnern wir uns: In den meisten neueren Klassenräumen sind Waschbecken in den Klassen nicht mehr vorhanden….

Der DGB Düsseldorf schreibt am Dienstag, 14. April (gestern) an den Ministerpräsidenten und stellt klar, dass die Meinungen von OB Geisel zur Öffnung der Schulen nicht die abgestimmte Meinung des DGB sind. Der DGB Düsseldorf und Region schriebt an Laschet: „Wir können uns gegenwärtig nicht vorstellen, dass Kitas und Schulen am 20. April wieder sicher beginnen können. Diskussion über eine mögliche Öffnung der Schulen und Kitas müssen „auf Sicht gefahren“ werden –mit Blick auf die Entwicklung der Corona-Pandemie und die Einschätzung der Situation durch medizinische Experten. Sonst würden die Beschäftigten schwer einschätzbaren Risiken ausgesetzt werden. Das Abitur, Fachhochschulreife, Berufsabschlüsse und Abschlussprüfungen in der 10. Klasse können auch mit den Durchschnittsnoten der letzten Halbjahre

berechnet werden– plus eines „Corona-Bonus“.

Der DGB betont zudem, dass die Gewerkschaft keineswegs für Öffnungen nach dem 19. April plädierte und auch gegen Sonntagsöffnungen ist. Außerdem fordert der DGB „die Erhöhung des Kurzarbeitergeldes auf mindestens 80 Prozent des üblichen Nettoeinkommens, weil die bisher gesetzlich gültigen 60% bzw. 67% für viele Beschäftigte existenzielle Nöte auslöst. „ Zudem hatte der DGB einen „Härtefallfonds für Beschäftigte vorgeschlagen. Und hofft, dass „der Herr Oberbürgermeister Geisel und der Stadtrat diesen Vorschlag konstruktiv aufnehmen werden.“

 

Schulen öffnen ist unbedacht

Lehrer, Eltern und Landesschülervertretungen wehren sich gegen die Öffnung von Schulen – nicht weil sie nicht arbeiten wollen, sondern weil sie ziemlich genau wissen, was da passiert. Ein Vergleich von Lehrer_innen mit Ärzt_innen und Krankenschwestern verbietet sich: Lehrer haben keine Schutzkleidung, keine Masken, keine medizinisch-hygienische Ausbildung. Dafür haben Lehrer_innen Ahnung: Würde man Schüler_innen mit Masken versehen, müssten für das Bundesgebiet nicht Millionen, sondern Milliarden an Masken bereit gestellt werden, weil die Masken ja nicht tagelang getragen werden können. Es fehlen aber jetzt schon Millionen für den Klinik- und Pflege-Bereich.

Und noch etwas, was in der Diskussion um Schulen meist unter den Tisch fällt: Die meisten Schüler und Schülerinnen mit einem weitergehenden Abschluss gibt es an Berufskollegs. (Es gibt allein mehr als eine halbe Million ( > 500.000 ) Schüler*innen an Berufskollegs in NRW.) Da gehen Tausende Schüler*innen auf ein Berufskolleg, etwa auf die Kaufmännischen Schulen I und II in Düsseldorf. Und schließlich hat OB Geisel doch dafür gesorgt, dass das Albrecht Dürer Berufskolleg  mit seinen mehr als 4000 Schülern nach jahrelangem Stillstand  einen Neubau bekommt.

OB Thomas Geisel hat an Ministerpräsident Laschet geschrieben am 9. April, „grundsätzlich“ hielte er es für „erwägenswert“, Schulen wieder zu öffnen, etwa „die Abschlussklassen der weiterführenden Schulen. …“ Die meisten weiterführenden Abschlüsse gibt es an den Berufskollegs, wir reden hier also von Tausenden Abschluss- Schüler_innen an hiesigen Berufskollegs. Und noch eins: Banken, die ihre Azubis zu den Berufsschulen schicken, können eigentlich nicht begeistert sein, dass ihre Azubis ein größeres Ansteckungsrisiko in den Schulen erleiden.

Und noch eins: Die Schüler_innen können nicht alle mit dem Auto oder dem Fahrrad zum Unterricht. Sie sind großenteils auf Bus und Bahn angewiesen. Heißt: Die Rheinbahn-Wagen und Busse sind zu den Anfangszeiten der Schulen voll ...

Dann eben Schicht-Unterricht ?  Mal sehen: Morgens statt 20 nur zehn Klassen, mit Deutsch, Mathe, Englisch ... macht wahrscheinlich 30 Lehrer. Nachmittags dann wieder zehn Klassen, die gleichen 30 Lehrer, von denen aber nun etliche bereits Überstunden machen müssen – schon in einer Woche. Macht im Monat … Beamte bekommen Überstunden bezahlt, macht für die Landeskasse … Gut, die Landesregierung unter Laschet wird nach kurzer Rechnung des Finanzministers die Idee des Schichtunterrichts in die Schubladen legen.

Und außerdem kann bis dahin die Bezirksregierung die Vorschriften für die Schulleitungen gar nicht ausformuliert und herumgeschickt haben. Und ohne gehts nicht.

Ein Ausweg aus der Misere, dass der Virus zu gefährlich für die Schulen ist, aber weiter gelehrt werden soll: Online-Klassen und Online-Unterricht. Und wer keine Tablets hat – möglichst nicht von Apple, wegen der späteren Möglichkeiten der Kompatibilität  - bekommt sie von der Schule / dem Land und wird betreut …

Und nun zu der angeblich rein wissenschaftlichen Leopoldina:

Zur Erinnerung: Vor 4 Jahren hat die Leopoldina noch empfohlen, 1300 Kliniken / Krankenhäuser in Deutschland zu schließen, die seien überflüssig. Es ist wichtig sich auch noch mal klar zu machen: Die Misere ist auch deshalb so gravierend, weil jahrelang im Gesundheitssystem an Personal und an Material (auch Schutz-Anzügen und Masken) gespart wurde. Die neoliberalen Markt-Gläubigen haben die Krankenhäuser einem profit-Gedanken unterworfen. Gesundheit als Gewinn-Markt, wenn Krankenhäuser und ähnliche Einrichtungen dem Gewinndenken unterworfen werden, stimmt was nicht. Menschen sind nicht Markt…

Das 18-seitige Papier der Wissenschaftler wird heute Grundlage einer Diskussion der Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten der Länder sein.

Im Papier der Wissenschaftler_innen ist etliches wirklich einsichtig beschrieben, es sind Forderungen, die auch bereits in den vergangenen Wochen von Wissenschaftler_innen formuliert wurden.  So wird etwa erwähnt, dass Kinder in schwierigen Familienlagen besondere Hilfen brauchen. Richtig ist auch: Im Bildungsbereich hat die Situation zu einer Verschärfung sozialer Ungleichheit geführt. Und es ist zu „massiven Grundrechtseinschränkungen“ gekommen.

Im 19-seitigen Papier der Leopoldina geht es aber eben nicht nur um Wissenschaft, etliche Formulierungen sind eindeutig politisch und ideologisch gefärbt., was für die Diskussion nach den Beschlüssen von Kanzlerin Merkel und den Länderchefs nicht unerheblich ist. Beispiele:

Man soll „An einer marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung festhalten“ (Seite 3) und  zur „freiheitlichen Marktordnung rückgeführt oder angepasst werden. Dazu gehören der Rückzug aus Unternehmen, sofern krisenbedingt Beteiligungen stattfanden, und der Abbau der Staatsverschuldung. An der Schuldenbremse“ müsse festgehalten werden, so die Thesen – obwohl längst etliche Ökonomen klar betonen, dass dies dazu führte, dass viele  Investitionen etwa in Schulen und Infrastruktur fehlen.

(Autor: Jo Achim Geschke)

Die „Dritte Ad Hoc Stellungnahme“ zur Corona-Pandemie der Leopoldina-Wissenschaftler_innen ist nachzulesen unter

www.leopoldina.org/uploads/tx_leopublication/2020_04_13_Coronavirus-Pandemie-Die_Krise_nachhaltig_%C3%BCberwinden_final.pdf