CDU Wahlplakat von 1976 und Rad-Parktickets - Ein KOMMENTAR

Ein rückwärtsgewandtes Plakat der CDU, Fake-News im Wahlkampf und irgendwie ein Rad ab? – Ein KOMMENTAR

Von Jo Achim Geschke |

Plakat CDU neu und Artikel Welt 3. Mai / Collage (C) Jo Geschke

Die CDU will am Sonntag ein neues Wahlplakat aufhängen (siehe Foto). Das Originalplakat stammt von 1976, bei dieser Bundestagswahl trat Helmut Schmidt SPD erneut an. CDU-Kandidat war Helmut Kohl. Schmidt wurde mit der FDP zusammen als Kanzler gewählt, Kohl scheiterte. Die CDU erhielt damals 38 % der Zweitstimmen, die CSU 10,6 %. Der Slogan des Plakats von 1976 zielte damals auf die Angst und die Ablehnung gegenüber der DDR. Inzwischen ist eigentlich jedem klar, dass es in der DDR keinen Sozialismus gab. Der alte CDU-Slogan ist eine Anlehnung an das, was Juso Kevin Kühnert angeblich in einem Interview gesagt haben soll. Nur hat er das so nicht gesagt. Heißt: Die CDU macht wieder mal Wahlkampf mit Fake-News und und setzt bei nicht informierten Bürgern auf Vorurteile und unbestimmte Ängste. Das ist eine Methode, der sich auch die rechtsaußen Steve Bannon und „Breitbart“, ein nationalistisches Medienportal, unter anderem im Wahlkampf für Donald Trump bedienten, sowie rechtsnationalistische Kreise in Europa.

Nun meint die CDU offenbar, sie könne auf das Interview des Juso-Vorsitzendem Kevin Kühnert in der ZEIT vom 2. Mai abzielen. Das geht allerdings nur, wenn die tatsächlichen Inhalte verkürzt und verfälscht werden. Es sind – vor allem von konservativen Medien – eine Menge verfälschender und verzerrender Meldungen im Umlauf gewesen, etwa von einer Verstaatlichung von BMW etc. Das ist falsch, denn im Interview so gar nicht abzulesen.

Einige Medien gingen durchaus sachlich und auch distanziert auf Kühnerts Formulierungen ein, etwa der SPIEGEL am 2. Mai : „Sein Interview kann ein Anstoß sein für eine Debatte, wie die Ungleichheit in Deutschland bekämpft werden könnte. Den "Zugang zu Vermögen" hält Kühnert nicht zu Unrecht für viel zu ungerecht verteilt.“ Oder am 3. Mai im SPIEGEL: „Wem Deutschland gehört (und wem nicht)“. Zitat: „Betrachtet man die real existierende Vermögensverteilung, erscheint die Formulierung des Juso-Chefs geradezu zurückhaltend: Die Ungleichheit beim Eigentum ist in Deutschland extrem. Einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zufolge besitzen die 45 reichsten Haushalte in Deutschland so viel wie rund 20 Millionen Haushalte, die die ärmere Hälfte der Bevölkerung bilden.“

(Link: www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/kevin-kuehnerts-kritik-am-kapitalismus-wem-deutschland-gehoert-und-wem-nicht-a-1265588.html )

Einige Fakten zur Klarstellung:

Kühnert spricht schon zu Anfang von der „Demokratisierung aller Lebensbereiche“ und sagt dann „Auch der Sozialismus wird und muss mit Marktmechanismen arbeiten“.

Das klingt nicht nach Abschaffung des Marktes. Wohl aber gegen Auswüchse wie horrende Mieten oder Millionenzahlungen für Vorstände, die dann wegen des Diesel-Skandals noch ins Visier der Staatsanwälte kommen. Oder der Tatsache, dass nur wenige Prozent der Bevölkerung den überwiegenden des Vermögens in Deutschland besitzen.

Kühnert definiert, Sozialismus sei „das Ergebnis von demokratischen Prozessen, orientiert an unumstößlichen Grundwerten“.

Die Redakteur*innen der ZEIT fragen dann: „Sie wollen also keine Verstaatlichung, sondern eine Kollektivierungen von Unternehmen wie BMW?“ Was Kühnert beantwortet mit „Auf demokratischem Wege, ja.“ Eindeutig also: keine Verstaatlichung.

Im Untertitel des Artikels wird behauptet, in Kühnerts Vorstellung „gäbe es auch kein Eigentum an Wohnungen mehr“ – das ist so falsch.

Kühnert kritisiert, dass die Mieten in Städten stark angestiegen sind, dass Renditen erwirtschaftet werden mit etwas, was andere Menschen zum Leben brauchen, und meint, er „finde nicht, dass es ein legitimes Geschäftsmodel ist, mit dem Wohnraum anderer Menschen seinen Lebensunterhalt zu verdienen.“ Und er plädiert für genossenschaftliches Wohnen.

Im weiteren Verlauf stellt Kühnert klar, es sei für ihn „demokratischer Sozialismus ein untrennbares Begriffspaar. Sozialismus ist kein autoritäres Konzept.“

Warum die ZEIT nach BMW nachfragt ist auch klar, denn die beiden Mehrheitsaktionäre haben im vergangenen Jahr allein aus den Dividenden mehr als 1000 Millionen, also eine Milliarde, bekommen.

Die Reaktionen waren bei Konservativen und konservativen SPD-Genoss*innen klar. Allerdings wurden auch das die Fakten oft beiseite gelassen.

Geht man auf die Fake-News von einer „Verstaatlichung“ ein, soll an die NRW-Verfassung erinnert werden:

„Artikel 27

(1) Großbetriebe der Grundstoffindustrie und Unternehmen, die wegen ihrer monopolartigen Stellung besondere Bedeutung haben, sollen in Gemeineigentum überführt werden.

(2) Zusammenschlüsse, die ihre wirtschaftliche Macht missbrauchen, sind zu verbieten.“

Ist online so nachzulesen beim Innenministerium NRW. Für die CDU Düsseldorf, die jetzt das alte Plakat ausgekramt hat, müsste das dann heißen: Kein Sozialismus in der Landesverfassung. Aber Schwamm drüber….

Verzweifelte Versuche

Der CDU geht es vielleicht gar nicht um Fakten. Da schlägt ein CDU Ratsherr und Mitglied im Vorstand der CDU Düsseldorf, Andreas Hartnigk, Parkgebühren für Fahrräder vor. Zur Kontrolle und wohin man die Parkscheine am Rad ablegen soll, sowieso kein Wort. Die Lachnummer geht unter den Stichworten „Rad ab?“ und ähnlichem durch ganz Deutschland, einschließlich Leitmedien im Fernsehen. Gestern dann musste CDU Vorsitzender Thomas Jarzombek MdB und Rats-Fraktionsvorsitzender Rüdiger Gutt CDU Hartnigk heftig zurück pfeifen, das sei alles keine CDU-Meinung, und Hartnigk musste „bedauern“. Sein Vorschlag aber bezeichnet klar, wie ablehnend die CDU zu einer Verkehrswende in Düsseldorf steht. Älteren Düsseldorfer*innen fällt dabei sofort der damalige CDU-OB Joachim Erwin ein: Der hatte sich nach seiner Wahl 1999 für ein Foto auf eine Maschine gesetzt und eigenhändig den Fahrradweg auf der Luegallee weggefräst und übermalt … Der heutige NRW-Innenminister Herbert Reul CDU begrüßte das damals übrigens ausdrücklich.

Das rückwärtsgewandte Plakat der CDU von 1976 und die Radfahrer-Parkgebühr erscheinen irgendwie als verzweifelte Versuche der CDU, die SPD vor allem in Düsseldorf zu diskreditieren und ein konservativ-rechtsgerichtetes Wählerpotential von der AfD für die CDU zu gewinnen.

Das Plakat ist vom Bundestags-Wahlkampf 1976. Damals scheiterte Helmut Kohl CDU daran, Kanzler zu werden.

Zusatz auf dem Plakat von heute: „Manche Dinge ändern sich nie“ – genau.

(Kommentator Jo Achim Geschke)