#woman #life #freedom - Menschenkette am Rhein #Mahsaasmini

Im Gedenken an Mahsa Asmini zeigen in Düsseldorf 3000 Menschen ihre Solidarität mit den Demonstranten im Iran.

Von Alexandra Scholz-Marcovich |

In Düsseldorf schwenkten die Demonstranten zahlreiche iranische Flaggen und Schilder mit Slogans wie "women, life, freedom" oder "They kill us in your silence #mahsaamini" / Foto: Privat

In Düsseldorf schwenkten die Demonstranten zahlreiche iranische Flaggen und Schilder mit Slogans wie "women, life, freedom" oder "They kill us in your silence #mahsaamini" / Foto: Privat

Mahsa Amini wurde in Teheran von der iranischen Sittenpolizei festgenommen, weil sie den Hidschāb in der Öffentlichkeit nicht korrekt getragen habe. Zwei Stunden nach ihrer Festnahme wurde sie von der Polizeistation in ein Krankenhaus gebracht. Amini fiel ins Koma und starb drei Tage danach. Eine CT-Aufnahme ihres Kopfes zeigt eine Blutung, ein Hirnödem und – im Widerspruch zu den offiziellen Angaben – einen Knochenbruch. Es gab Hinweise auf eine Misshandlung Aminis durch die Sittenpolizei und viele Menschen im Iran sehen Polizeigewalt als einzig plausible Erklärung für den Tod der jungen Frau.

Nach Aminis Tod protestierten vor allem iranische Frauen gegen die Pflicht, ein Kopftuch zu tragen und setzten sich damit ebenfalls der Gefahr einer Verhaftung und Misshandlung aus.

In Solidarität mit den iranischen Frauen und im Gedenken an Mahsa Amini wurde am 29. Oktober eine Menschenkette in Düsseldorf organisiert. Die Solidaritätskette reichte vom Düsseldorfer Hauptbahnhof über die Kö bis zur Rheinpromenade.

Warum ist es wichtig, den Aufstand der iranischen Frauen zu unterstützen? Weil diese Frauen Opfer einer überkommenen religiösen Ideologie sind, die Frauen systematisch unterdrückt. Weil politischer Druck auf das Regime in Teheran notwendig ist, um diese Frauen zu schützen. Und nicht zuletzt, weil überall dort, wo sich Religion mit Politik vermischt, Frauen unterdrückt und ihrer Freiheit beraubt werden und Lebensgefahr für sie besteht, nicht nur im Iran und nicht nur in islamisch geprägten Gesellschaften.

In Düsseldorf nahmen nach Angaben der Polizei 3000 Menschen an der Solidaritätsdemo teil. Die Demonstranten schwenkten zahlreiche iranische Flaggen und Schilder mit Slogans wie "woman, life, freedom" oder "They kill us in your silence #mahsaamini" (Sie töten uns, während ihr still seid).

Ausgestattet mit iranischen Flaggen bildeten die Demonstranten eine Menschenkette und skandierten "woman, life, freedom".

Wir konnten einige Demonstrant:innen am Rande der Demonstration befragen und geben ihren Protest und ihre Hoffnungen hier wieder:

"Ich glaube, dass es eine echte Revolution gibt und ich glaube, dass sie es bis zur Freiheit schaffen werden"

"Das islamische Regime wollen wir nicht, das frauenfeindliche Regime wollen wir nicht",

"Diese Frauen, Opfer der Repression, erheben sich heute, obwohl es sie das Leben kosten kann. Es ist unsere Pflicht als freie Menschen, diese Freiheitsbewegung zu unterstützen"

Wie hast du auf die Nachricht vom Tod von Mahsa Asmini reagiert?

"Fassungslosigkeit, Wut und Trauer. Jede Frau, die in den vergangenen Jahrzehnten in den Iran gereist ist, kennt diese angespannte Situation, wenn die Sittenpolizei in der Nähe ist oder dich anhält und dein Aussehen, deine Kleidung prüft. Jede Frau hat solche Erfahrungen gemacht, jede musste sich schon mal auf offener Straße abschminken, Nagellack abmachen, Kopftuch richten und sich erniedrigen lassen wegen scheinbar unislamischem Auftreten. Jede Frau hätte Mahsa sein können. Deshalb waren der Aufschrei und die Solidarisierung so groß."

Wie wird die Hilfe in Düsseldorf organisiert?

"Privatpersonen, die hier im Exil hilflos zuschauen müssen, was im Iran passiert, organisieren sich. Es stecken keine politischen Parteien dahinter und das ist das Gute. Endlich sind die vielen Menschen, die alle auf ihre eigene Art und Weise unter der islamischen Republik großes Leid erfahren haben, vereint. Es geht nicht darum, ob Monarchist, Linker oder eine andere Opposition, es geht nur darum, das islamische Regime zu beseitigen."

Warum demonstrierst du in Düsseldorf und warum ist das wichtig?

"Das Internet im Iran ist gedrosselt, soziale Medien sind blockiert. Das Wichtigste, was wir hier im Ausland machen können, ist den Menschen eine Stimme zu geben bzw. deren Stimme zu sein. Wir dürfen nicht aufhören, immer wieder die Namen derjenigen zu rufen, die seit Beginn der Proteste verschleppt wurden, in den Gefängnissen gefoltert werden und keine Nachrichten über deren Verbleib bestehen. Wir müssen die wenigen Filme, die uns trotz der Internetfilter erreichen, in den sozialen Medien veröffentlichen, damit die Welt sieht, wie brutal das Regime gegen die eigene Bevölkerung vorgeht. Es wird täglich auf den Straßen geprügelt, geschossen und gemordet. Das Regime macht auch keinen Halt vor Kindern, Jugendlichen und Studenten. Es ist wichtig, dass die Solidarisierung hier im Ausland über die iranische Exilgemeinde hinausgeht. Jeder Celebrity, jede  ausländische Zeitung, die sich solidarisiert, schafft Öffentlichkeit und schützt die iranische Bevölkerung. Zudem ist es ein enorm wichtiger, moralischer  Faktor für die Protestierenden zu wissen, dass sie im Ausland nicht vergessen werden."

Wie siehst du die Zukunft im Iran?

"In den vergangenen Jahrzehnten gab es viele Protestwellen. Bisher hatte man immer auf Reformen und Reformer gesetzt, doch diesmal ist es anders. Die Proteste fordern einen Regimewechsel. Ich habe Angst. Ich habe Angst, dass wenn die weltweite öffentliche Aufmerksamkeit nicht mehr besteht, das Regime mit voller Wucht und erbarmungslos die Protestierenden töten wird. Deren Schutz ist die Öffentlichkeit, dass man immer wieder fragt, wo sie stecken und wie es Ihnen geht.
Sollte es tatsächlich zu einem Umsturz kommen, frage ich mich, was mit all diesen Regimetreuen geschieht. Der Apparat des Terrorstaats ist riesig, wird es gelingen in Frieden zusammen zu leben und die Ungerechtigkeiten, das Leid und die Opfer aufzuarbeiten, um nebeneinander leben zu können?"

Was sind deine Hoffnungen?

"Die jungen Menschen, die die Proteste aufrecht erhalten sind wahnsinnig mutig, man muss sagen sie sind todesmutig, weil sie bereit sind, für ihre Freiheit und ihre Selbstbestimmung zu sterben. Ich hoffe so sehr, dass diese Proteste Früchte tragen. Dass die vielen Opfer, die es bereits jetzt gibt, nicht umsonst waren."

Mit der Verabschiedung eines gemeinsamen Antrags wollen sich die Fraktionen von CDU, SPD, Grünen und FDP solidarisch mit der iranischen Freiheitsbewegung zeigen.

Der Landtag wird am Donnerstag den 3. November über den Antrag debattieren. Der Antrag im Wortlaut:

Der Landtag

  • stellt sich solidarisch an die Seite iranischer Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger;
  • begrüßt die beschlossenen EU-Sanktionen gegen die Verantwortlichen des iranischen Repressionsregimes und regt an, diese immer wieder auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen;
  • appelliert an die Bundesregierung zügig weitere Schritte einzuleiten, um national einheitliche Bedingungen zum Schutz geflüchteter Personen aus dem Iran zu schaffen.

"Im Iran sterben Frauen, weil sie gegen das Kopftuch protestieren, das dort als Symbol für männliche und religiöse Unterdrückung wahrgenommen werden muss. Einige Stimmen wollen uns glauben machen, dass das Kopftuch nur ein harmloses Stück Stoff sei. Ein einfaches Stück Stoff kann nicht töten. Eine Ideologie kann es.

Ist das Kopftuch nun ein religiöses Symbol oder in Wirklichkeit die Religion nur ein Vorwand, um "muslimische Frauen" zu homogenisieren und nicht nur ihre Haare, sondern auch ihre Rechte auszuradieren? Wird es wirklich freiwillig getragen? Ist es in dem vorliegenden Kontext nicht anmaßend, wenn in freien Gesellschaften für das Recht auf Tragen des Kopftuches plädiert wird, wenn gleichzeitig Millionen von Frauen in weniger freien Gesellschaften brutal dafür bestraft werden können, wenn es nicht richtig sitzt?"

Eine kurze Historie über das Kopftuch im Iran

Nach dem Vorbild Atatürks verbot der Iran 1935 das Tragen des Kopftuchs. Unter der Führung des Schahs konnten iranische Frauen in gleicher Weise wie Männer zur Schule gehen und erhielten Anfang der 1960er Jahre das Wahlrecht. Es bleibt anzumerken, das Verbot des Kopftuches wurde von den strenggläubigen Frauen in der teils tiefreligiösen Gesellschaft des damaligen Irans als Diktat verstanden und abgelehnt.

Von Jahr zu Jahr wuchs der Unmut in vielen iranischen Köpfen, die in dieser aufgezwungenen Verwestlichung den Zugriff des amerikanischen Imperialismus auf das Land und den erzwungenen Marsch in eine Kultur, die nicht die ihre ist, sahen. 1978 war der Wendepunkt erreicht, mit der ultrakonservative Revolution des Ayatollah Khomeini. Bei den Protesten gegen den Schah demonstrierten strenggläubig verhüllte Iranerinnen, Seite an Seite mit progressiven unverhüllten Frauen.

Mit dem Sieg der Mullahs 1979, wurde jedoch die Kopftuchpflicht offiziell eingeführt. Der Iran wendete damit ein Gebot an, das aus jahrhundertealten und selbst in strengreligiösen Kreisen durchaus kontrovers diskutierten Auslegungen des Korans hervorging.

Symbolisierte 1978 das Tragen des Kopftuches für einige Frauen noch die Unterstützung für die Revolution gegen das brutale Regime des Schahs, legen Frauen heute das Kopftuch im Rahmen des Protestes und in ihrem Kampf für mehr Freiheit ab. Das Regime reagiert mit voller Härte und massiven Drohungen: Am Samstag warnte der Chef der Revolutionsgarden, der ideologischen Armee der Islamischen Republik Iran, General Hossein Salami, die iranischen Demonstrant:innen vor öffentlichen Versammlungen: "Geht nicht auf die Straßen! Heute ist der letzte Tag der Unruhen".

Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen wurden im Iran bisher mindestens 280 Demonstrant:innen getötet und über 10.000 Menschen verhaftet. Menschen werden misshandelt und Menschen sterben, wegen der Symbolik eines Stücks Stoff, dessen eigentlicher Nutzen für die Machthaber am Ende nur darin besteht, strengste Kontrolle über 50% der Bevölkerung ausüben - also nicht linientreue Frauen aus nichtigen Gründen sofort verhaften zu können.

Sowohl das Verbot als auch der Zwang zum Kopftuch sind gleichsam als Unterdrückung der freien Entfaltung der Frauen im Iran (und nicht nur dort) zu betrachten. Das Kopftuch wird somit immer deutlicher ein jeglicher religiöser Bedeutung (wenn es je eine hatte) beraubtes Mittel zum Zweck.