Luisa Neubauer über Demokratie im D Haus

Luisa Neubauer im D’Haus : Demokratie braucht unseren Einsatz für Klimaschutz

Von Jo Achim Geschke |

Luisa Neubauer

Luisa Neubauer / Foto © D Haus Oguz Yilmaz

„Wir haben unfassbar gutes Wissen darüber, wie die Lage ist, und wir kämpfen um die Bewohnbarkeit unseres einzigen Planeten“. So Luisa Neubauer am Sonntag im Schauspielhaus, in der Reihe „Düsseldorfer Reden zur Zukunft der Demokratie“. Die Lage ist tatsächlich klar: Das Trinkwasser wurde in Frankreich im April rationiert, in Italien sind ganze Landstriche gerade unter Wasser gewesen, in Spanien gab es im April Rekordtemperaturen von fast 40 Grad. Wenn dann nach Ende der Rede der 27-jährigen Klimaaktivistin Luisa Neubauer fast der komplette große Saal in Standing Ovations steht und applaudiert – dann macht das doch ein wenig Hoffnung.

Zukunft der Demokratie? Angesichts steigenden Zuspruchs für die AfD und wachsender Gruppen von Politikverdrossenen (Man kann eh nix ändern) und Verschwörungsgläubigen erkennt man nicht nur, dass wir ein Bildungsproblem haben. Dass junge Menschen, die sich für ihre Zukunft und die Zukunft einer bewohnbaren Erde einsetzen, als Terroristen bezeichnet und mit Terroristen verglichen werden, ist schon fragwürdig und zeigt kein Verständnis für Demokratie. Angesichts solchen brandgefährlichen Unsinns zuckt man entsetzt zusammen, wenn man dann sieht, dass eine 27-Jährige von einem 2-Meter-Mann begleitet werden muss.

Neubauer blättert in ihrer Rede kurz die Geschichte dieser Demokratie auf, die gerade in Düsseldorf bis hin zu Essen oder Dortmund immer auch eng mit Kohle (und Stahl) verbunden war. 1882 ging das erste Kohlekraftwerk in Betrieb, die amerikanischen Arbeiter streiken 1886 am 1. Mai, viele Jahre später wird es Tag der Arbeit. Der Vorläufer der EU war die „Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl“, auch Montanunion genannt, seit 1952. Es gibt zudem den Begriff der „Carbon Democracy“ von Timothy Mitchell. Die Kohlekumpel im Ruhrgebiet und die Gewerkschaften haben die Gesellschaft und die Demokratie allerdings durchaus verändert.  

Wir stehen vor dem Auszug aus der fossilen Demokratie

Es geht wirklich nicht nur um Heizungen. Dass unsere Gesellschaft nun vor dem „Auszug aus der Demokratie der fossilen Energie“ steht, „das verwirrt manche, und das ist finde ich nachvollziehbar“, zeigt Neubauer die Dimension des heutzutage erforderlichen Umbruchs auf.

Es gebe immer wieder das „Gemurmel“, dass der nötige Klimaschutz die Demokratie überlaste, ja dass die Demokratie gefährde. Das behaupten aber vor allem die Rechten im Land und die FDP.

Neubauer erinnerte aber an die wissenschaftlichen Erkenntnisse und die Stellungnahmen dutzender Wissenschaftler:innen: „Klimaschutz ist für uns jetzt eine Zeitfrage.“ Es geht um die Kipppunkte – bis 2030 muss der CO2-Ausstoß halbiert werden. Kipppunkte sind jene Entwicklungen, ab denen eine Umkehrung nicht mehr möglich ist, heißt: Ab denen eine Erderwärmung mit allen schädlichen Folgen nicht mehr änderbar ist.

Wenn Klimaschutz so sein soll, „dass wir uns weiter alle wie bisher wohlfühlen, das geht nicht“. Denn wenn die CO2-Reduzierung sogar bis 2070 laufen soll – dann sind die Kipppunkte schon vorbei gewesen, das funktioniert also nicht.

„Andern wir nichts, ändert sich alles“, so Neubauer.

Und Ändern heißt schnell: 60 Wissenschaftler haben gerade dargelegt, dass es inzwischen fast unmöglich ist, bis 2030 eine Erwärmung von 1,5 Grad einzuhalten.

Aber: Demokratie sei ein „bewegliches Instrument“, Demokraten könnten ja auch Menschen für schützende Maßnahmen begeistern.

Allerdings: Lobbyorganisationen der fossilen Industrie pumpten allein voriges Jahr 128 Millionen Euro in Kampagnen gegen die Klimaschützer. Klimaschutz werde als lebensbedrohlich dargestellt. Zudem machten AfD und Fossile Netzwerke gemeinsame Sache. Klimaschutz bedeute aber ein emanzipiertes und gerechtes Weltbild. Gerecht, denn weltweit gesehen leiden die Ärmsten am Meisten unter dem Klimawandel.

„Es gilt, eine neue Ethik zu finden für die Zukunft der Demokratie – und diese Demokratie muss fossilfrei werden“, so Neubauer.

CDU-Vorsitzender Friedrich Merz könne, wenn er etwas verstanden hätte, nicht erklären, man hätte noch 20 Jahre Zeit. Und wenn die SPD gerne Gerechtigkeit und Klimaschutz vereinbaren möchte, ginge das nicht durch langsames Verändern.

Es geht auch um Lebensweisen: „In globalen Krisen ist das Private zwangsläufig politisch“, verdeutlich Neubauer.  Dabei geht es nicht nur um Schnitzel oder Tofu. Wir sind alle längst Teil der Öffentlichkeit. Aber das Szenario an die Wand zu malen, dass der Kollaps der Demokratie drohe, diene eben oft nur zur Sicherung der eigenen Profite.

Längst Arbeit am Notfallmodus

 Und Teile der Demokratie arbeiteten längst am Notfallmodus: Eine Gruppe in Berlin arbeitet seit 1977 zu Fragen der Anpassung an die Klimakrise. In der Bundestagsverwaltung gibt es Arbeiten zur Klimakrise als Sicherheitsgefahr. Und zur Wasserknappheit: Jede zweite Kommune in Deutschland sei davon 2022 betroffen gewesen.

Immer wieder werden auch die anderen Staaten als schlechtes Beispiel genannt. Aber China zum Beispiel sei wegen der Smoggefahren in den großen Städten längst dem Pariser Abkommen beigetreten. Und im riesigen Afrika seien insgesamt nur 25 neue Kohlekraftwerke gebaut worden, entgegen manch anderer Behauptungen. Das Beispiel von Demokratien erreiche eben längst auch Nicht-demokratische Länder.

Hoffnung, wenn wir uns engagieren

Immer wieder würden auch die „Gelbwesten“ in Frankreich (2018) genannt, die angeblich auch in Deutschland mit heftigen Protesten drohten. Dabei hätten diese Gelbwesten in Paris und anderen Städten durchaus mit den Klimaschützern demonstriert. Und eine breite Mehrheit der deutschen Bevölkerung sei ganz klar für mehr Klimaschutz.

Für einen Wohlstand ohne Ausbeutung, für Klimaschutz mit anderen Heizungen, müsse man in Demokratien Menschen gewinnen – und sich dafür ehrlich machen. Die Demokratie müsse gestärkt werden, „weil wir so wahnsinnig viel zu gewinnen haben“. Und das heiße, sich einzusetzen, so Luisa Neubauer.  

Standing Ovations für eine ausgezeichnete Rede, die wohl viele mitgenommen hat.

Luisa Neubauer signierte im Schauspielkurz einige ihrer Bücher. Für eines werbe ich gerne mit Überzeugung, weil ich es gelesen habe:

Luisa Neubauer und Dagmar Reemtsma,

Gegen die Ohnmacht

Meine Großmutter, die Politik und ich

Klett-Cotta Tropen Verlag

235 Seiten, 24 Euro.

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