Weihnachtswünsche für alle Leser – ein Nachdenkstückv

Schaffen wir uns unser Weihnachten – jeden Tag

Von Jo Achim Geschke |

Engel / Foto (C) Jo Achim Geschke

Frohe Weihnachten ? Ist ja wohl nicht in diesem Dezember. Oder doch ? Es geht uns eigentlich gut, nie war die Gesellschaft so sicher, betonte der angesehene Kriminologe Professor Christian Pfeifer schon im Januar. Und dennoch werden, nicht nur nach dem Anschlag in Berlin, wild und dumm Ängste geschürt und offensichtliche Tatsachen verleugnet. Die Rücksichtslosigkeit nimmt zu, zu sehen am Zustand von Papier- und Flaschencontainern in der Stadt, zu sehen bei Autofahrern, auch Radfahrern auf Bürgersteigen, oder sogar bei rempelnden Fußgängern. Zu sehen auch bei Menschen, die im Netz rüpelnd andere Menschen angreifen, beleidigen, diskriminieren.
Weihnachten also ein „Dennoch“, ein Nachdenken für ein anderes Miteinander.

Menschen sind mit ihrem Job, in dem sie sich vielleicht nicht mal wohlfühlen, vollauf beschäftigt, wissen auch vielleicht nicht, ob sie in 5 oder 10 Jahren noch den Job haben oder in einer anderen Stadt arbeite. Der amerikanische Sozialwissenschaftler Richard Sennett hat schon vor etlichen Jahren festgestellt, dass Menschen in einer „hire-and-fire“ Gesellschaft kein Interesse mehr an ihrer Kommune, an der Politik ihres Landes haben. Jetzt haben wir Mini-Jobs, die Altersarmut wegen niedriger Rente ist längst täglich zu beobachten. Wie das bei uns wirkt, wie es Sennett beschrieb, kann jeder an den Papiercontainern ablesen, wo der Müll einfach daneben gestellt wird. Was kümmern mich die anderen … An einem Überweg mit Ampel in der Innenstadt schau ich manchmal auf die Menge gegenüber: Breit und dicht nebeneinander aufgestellt - gleich werden sie die Lanzen senken und voranstürmen … Menschen rempeln dich an, wenn du ihnen nicht aus dem Weg gehst ... Fahrradfahrer, die über Bürgersteigen nicht fahren, sondern rasen – das liegt nicht nur an den fehlenden Radwegen. Autofahrer, die auf bereits zugestellte Kreuzungen fahren, um vermeintlich Zeit zu gewinnen (30 Sekunden etwa ), und der querende Verkehr kommt nicht durch.

Die Rheinbahn hat den Kaffee auf, die Mitarbeiter sind sind sauer, und so startet eine Kampagne gegen die Kaffeebecher, die in den Wagen stehen gelassen werden, oft noch mit Kaffee-Resten. Sie verdrecken die Wagen. Mal abgesehen von dem Unfug, diese Becher vom „Coffee to take away“ millionenfach in die Umwelt zu kippen.

Das wir eine Gesellschaft sind, die aufeinander Rücksicht nimmt, das zu sagen fällt schwer. Gerade an Weihnachten.

„Das Netz“, also facebook und Twitter etc., kann hervorragend als Informationsmittel dienen, wenn man sich mit Medien wie beispielsweise Süddeutscher Zeitung, Spiegel, Der Freitag, taz,Die Zeit, Monitor, Panorama, NDR oder WDR Aktuelle Stunde vernetzt. Die jetzt viel zitierten „Fake-news“ gab es schon früher, mal als Falschmeldungen oder verzerrte Meldungen in der BILD-Zeitung, mal in anderen Medien. Die „Taz“ wurde damals unter anderem gegründet, um ein Mittel gegen die Falschmeldungen und Hetzte der Springer-Presse zu schaffen.

Schon vor Jahren war jeder gefragt, sich ein Bild darüber zu machen, ob das so stimmen kann, was da in einigen wenigen Blättern stand. Jetzt funktionieren Falschmeldungen und schwer tendenziöse Artikel für die Trolle der russischen Agenturen oder rechtsradikalen Seiten schneller und einfacher. Die Folge: Wir sind noch eindringlicher aufgefordert, uns auf nachprüfbare Quellen zu verlassen und seriöse Informationsquellen zu wählen. Es ist eben nicht einfacher geworden, und es verlangt: Mehr Bildung. Siehe unten …

Nicht nur Hass-Mails

Aber es sind nicht nur die Hass-Mails, die im Netz auf Politiker, Journalisten, Menschen mit einer eigenen Meinung herunterprasseln. Es sind diese schmähenden, andere abwertenden Bemerkungen, die wirklich Sorgen machen können - über unser Zusammenleben. Da schreibt ein CDU-Anhänger gegen ein Medium an mit abwertenden Formulierungen, da schreibt ein Christian Rütz von der CDU zu einem Artikel, NDOZ.de und Fakten passten ja nicht zusammen. Auch so ein Ausfall gegen Pressemedien, der zumindest in die Nähe des unsäglichen „Lügenpresse“ kommt. Worum gings: Die Rolle der Opposition, die der CDU im Rat der Stadt nicht gelingt. Aussagen aus der Haushaltsrede der CDU (von Rüdiger Gutt) wurden mit den Fakten aus Haushalt und vorigen Ausschuss- und Ratssitzungen verglichen. Wenn nun ein CDU-Mitglied (auf der Facebook-Seite von Grünen-Ratsherr Norbert Czerwinski) behauptet, das wären keine Fakten, zeigt das eine gewisse selbstgewählte Einschränkung: Dann sind auch jene Fakten falsch in seinen Augen, die von der Kämmerei, der Stadtverwaltung stammen und in eben diesem NDOZ.de wieder gegeben werden. Was also soll für ihn dann noch gelten? Nur was in die Ideologie passt?

Es ist eine fatale Verdrängung, es sind immer die anderen, die falsch berichten. Und falsch ist das, was nicht ins eigene beengte Weltbild passt, nicht zu eigenen verfestigten Meinung. Aus Angst und Unsicherheit, denn das eigene Weltbild darf nicht erschüttert werden.

Das trifft nicht nur auf CDU-Mitglieder zu. Auch in der SPD und bei den Grünen und bei den Linken gibt es Menschen, die sich nicht aus mehreren Quellen informieren und nicht über den Rand ihres eigenen Tellers schauen wollen.

Aber wovon reden wir, wenn wir sagen: bitte häufiger informieren in Zeitungen und TV ? Die gedruckten Abo-Zeitungen aus Düsseldorf kommen – bei etwa 320.000 Haushalten – auf vielleicht 25.000 Leser, dazu kommen geschätzt 200.000 Anzeigenblätter, die nicht jeder liest. Nimmt man die überregionalen dazu wie FAZ oder Süddeutsche, auch Handelsblatt und Wirtschaftswoche – dann schätze ich jetzt mal, dass etwa ein Viertel aller Haushalte (25 %) sich mit diesen Medien informiert. Nimmt man die Online-Auftritte dazu, wird es auch nicht viel mehr. Aber haben Sie mal gesehen, wer sich alles RTL und andere Medien im Fernsehen als „Infokanal“ ansieht? Gegen diese Millionen kommen auch „Monitor“ und „Report“ im Fernsehen nicht an.

Im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ist auch nicht alles gut, seit sich alle an Quoten messen wollen. Doch immer noch gehen viele den neoliberalen Bestrebungen auf den Leim, die Gebühren fürs Öffentlich Rechtliche abzuschaffen. Dann haben wir nur noch Werbe-Quatsch-Privatfernsehen… Ach, lassen wir das.

Realität ist nicht einfach

Und noch ein Wort zum postmodernen „es kann ja auch eine andere Meinung geben“. Alles ist relativ?: Nee, eben nicht. Es gilt noch immer der Satz: Jeder hat das Recht auf eine eigene Meinung, aber nicht auf eigene Fakten. Realität ist nicht, was sich jemand mit Wunschdenken zusammen bastelt.

Nur ist Realität seit langem eben nicht mehr so einfach wie vor 40 Jahren. Es gibt keine einfachen Antworten mehr – schon lange nicht mehr. Es ist eben nötig, sich zu informieren aus mehreren Quellen, und das heißt auch: Diese Gesellschaft muss mehr für eine breite Bildung ausgeben und bereit stellen. Und mit breit meine ich breit, nicht etwa Klassen mit 20 und mehr Schülern oder einen lächerlichen Bachelor (BA), der junge unerfahrene Menschen möglichst früh ins – niedrig bezahlte – Berufsleben drängen soll.

Aber Bildung kostet Geld. Dass sogar im mächtigen IWF (Internationalen Währungsfond) vor der bisherigen neoliberalen Spar- und Austeritätspolitik gewarnt wird, mag einem presse-beschimpfenden CDU-Ratsherrn nicht bekannt sein – geschenkt. Aber jeder kann einfach nachdenken: Was passiert, wenn immer mehr Kinder in einer Stadt sind, aber die Klassenräume, Kunsträume, Mensen und sogar Schulen fehlen? Was ist die Alternative? Nicht bauen, weil eine Stadt dann Kredite aufnehmen muss und nicht mehr Schuldenfrei ist? Oder bauen – und damit für die Bürger sorgen, für die Familien, die sonst vielleicht dorthin ziehen, wo es bessere Schulen für die Zukunft ihrer Kinder gibt?

Die neoliberale Spar- und Austeritätspolitik hat unsere Gesellschaft tief gespalten. Keine Kirche und kein Wohlfahrtsverband kann darüber hinwegsehen angesichts hunderte Frauen, Alten und Kindern an den Tafeln und zugleich den SUVs und Sportwagen für 100.000 bis 350.000 Euro an der Kö, der Königsstraße oder im Medienhafen. Ich würde auch gerne mal einen McLaren fahren, – aber nicht auf Kosten eines Teils der Gesellschaft, in der fast ein Viertel aller Kinder arm sind.

In Düsseldorf gibt es Hunderte Menschen, die sich ehrenamtlich um andere Menschen kümmern. Weil an anderer Stelle, auch bei Wohlfahrtsverbänden, gespart wird. Weil gespart werden muss, weil der Staat spart, soziale Aufgaben immer mehr privatisiert hat, und so viele Aufgaben den Ehrenamtlichen überlässt. Sehr vieles im sozialen Bereich könnte nicht mehr ohne die Ehrenamtlichen funktionieren.

Empören reicht nicht

Und wir, was machen wir? Wir empören uns darüber, dass im Mittelmeer mehr als 3000 Kinder, Frauen und Männer ertrinken auf ihrer Flucht. Wir empören uns darüber, dass hierher geflüchtete Familien nach Afghanistan abgeschoben werden, weil ein Innenminister erklärt hat, Afghanistan sei ein sicheres Land. Wir empören uns, dass Frauen und Kinder und Weißhelme in Aleppo durch Bomben und Raketen getötet werden. Wir helfen Flüchtlingen, hier Fuß zu fassen, trotzt aller bürokratischen Hindernisse. Wir empören uns darüber, dass eine verlogene Taktik der AfD zu Wahlerfolgen hilft, bei der nächsten Wahl in NRW womöglich auf mehr als 10 Prozent kommt.

Aber wie gehen wir damit um, dass all dies ja politische und wirtschaftliche Ursachen hat? Dass es eine Ideologie gibt, die mittels viel Geld und geschickter Agenturen und Lobbyisten Menschen in die Armut treibt und die Gesellschaft in Arm und wenige Reiche spaltet? Ohne dass wir aktiv werden und mitwirken, wird sich wenig ändern. Politik ist die Möglichkeit in unserer Demokratie, an den Entscheidungen der Parteien teil zu nehmen. Entscheidungen, die das Leben in einer Stadt, in einem Land beeinflussen. Jeder kann teilnehmen, nicht nur als Mitglied in einer Partei, jeder kann auch seinen Abgeordneten, seinen Stadtrat anschreiben.

Oder an eine Zeitung schrieben, weil in der etwas falsch berichtet wurde. Oder an einen Sender schreiben, weil in einer Fernsehsendung etwas falsch dargestellt wurde. Aber bitte: Vorher informieren und nicht aus dem Bauch heraus etwa fordern.

In diesem Sinne: Ich wünsche Ihnen allen eine ruhige, besinnliche und auch fröhliche Weihnachtszeit und einen guten Wechsel ins Neue (Wahl-) Jahr 2017.

Jo Achim Geschke

LINK zu Kriminologe Christian Pfeifer :

www.deutschlandfunk.de/kriminologe-christian-pfeiffer-wir-haben-die-sicherste.694.de.html?dram%3Aarticle_id=343812

„Wir haben die sicherste Republik in Deutschland seit dem Jahr 2000. Alles ist rückläufig. Als Beispiel: Schusswaffen-Delikte sind seit Mitte der 90er-Jahre von 630 auf 111 zurückgegangen, tödliche Schusswaffen-Delikte. Oder vorsätzliche Tötungen um 43 Prozent rückläufig, die Jugendgewalt um knapp die Hälfte rückläufig. Wir haben eine so tolle Entwicklung während der letzten 10, 15 Jahre gehabt, dass eigentlich Bürgerwehren ganz absurd sind.“