#Seebrücke, sichere Häfen, Kommentar zu einem gesellschaftlichen Aufbruch aus der Mitte

#Seebrücke, sichere Häfen: Bewegung für Humanität und eine andere Politik aus der Mitte der Gesellschaft

Von Jo Achim Geschke |

#Seebrücke Aufruf in Düsseldorf / Screenshot Video Jo Achim Geschke

Wenn bei 34 Grad im Schatten gut 200 Menschen zu einer Demonstration für die Seenotrettung im Düsseldorfer Medienhafen zusammenkommen, ist das viel. In ganz Deutschland sind in den vergangenen Tagen in etlichen Städten insgesamt mehr als 70.000 Menschen auf die Straße gegangen, haben sich artikuliert unter dem Stichwort (Hashtag) #Seebrücke. Junge und Ältere haben, sogar im Urlaub, gelernt, wieder Papierschiffchen zu falten, mit „#Seebrücke“ beschriftet und Fotos davon in einem großen Internet-Flashmob veröffentlicht. Es ist eine konkrete, klare Forderung, die vielen das Gefühl gibt, endlich bei diesem Thema etwas konkretes tun zu können, etwas bewegen zu können. Die Forderung zu artikulieren, verzweifelte Frauen, Kinder, Jugendliche und Männer vor dem furchtbaren Ertrinken im Mittelmeer zu retten. Die Seenotrettung, auch die der privaten Initiativen, wieder zu ermöglichen. Eine breite Bewegung der wirklichen gesellschaftlichen Mitte, die einen Aufbruch zeigt. Und die sich, wie in München gegen die Hetze, auch gegen das abdriften nach ganz Rechts wendet.

Ein Video über den Protest in Düsseldorf unter #Seebrücke, sichere Häfen, hat NDOZ.de in Facebook vergangenen Sonntag veröffentlicht. ( www.facebook.com/neue.duesseldorfer.online.zeitung/videos/899661903555438/ )

Es ist eine Bewegung aus der Mitte: Handwerker*innen, Kirchen beider Konfessionen, Gewerkschafter*innen und bisher nicht engagierte Bürger*innen Schließlich ist schon die Frage, ob Frauen, Kinder, Babys, Männer vor dem Ertrinken im Mittelmeer gerettet werden sollten, ein Verneinen jener Humanität, auf die sich Europa und die Welt seit Jahrhunderten berufen. Menschen, auch viele junge Menschen, wollen sich jetzt bemerkbar machen, wollen zeigen, dass sie mit dieser Politik (nicht nur der CSU und deren Innen- und Heimat-minister, auch der AfD) nicht einverstanden sind. Dass sie eintreten für eine solidarische, humanitäre Haltung, die einigen Politiker*innen offenbar abgeht. Ohnehin ist es ein Zeichen für den Zustand der Gesellschaft insgesamt, wenn die Rettung aus Seenot so lautstark gefordert werden muss. Und das umfasst nicht nur jene, die in einer Art Massenhysterie jegliche Menschlichkeit ablegen und in Dresden bei der AfD und anderen Rechtsextremen lautstark „absaufen“ riefen. Von der Bühne kam da lediglich eine ekelhafte Bemerkung, nämlich: „Wir brauchen das Schiff noch, um die zurück zu schicken“.

Die Menschen, die in Düsseldorf, Frankfurt oder in Ludwigshafen oder in den vielen anderen Städten unter dem Stichwort #Seebrücke auf die Straße gingen, wollen eben nicht mehr tatenlos als Zuschauer*innen zusehen, dass Tausende im Mittelmeer ertrinken. Es ist ein Aufbruch, ein Zeichen gegen die faschistoide Überheblichkeit, dass es Menschen gibt, die weniger Wert sind als dieses mythologische „Wir“. Zugleich berichten kritische Medien wie etwa die Frankfurter Rundschau, dass jeder/ jede neunte in Deutschland aktiv Geflüchteten hilft.

Die Bewegung #Seebrücke, die übrigens in der ostdeutschen Hafenstadt Wismar entstand, wendet sich nicht nur dagegen, dass Schiffe der privaten Seenotrettung in Häfen von Malta und in Italien an die Kette gelegt wurden. Es geht auch um die geplanten Lager in Libyen, um sichere Fluchtwege nach Europa, um eine bessere Integration und nicht zuletzt darum, Hetze und dumpfen Hass zu stoppen.

Und das zielt auch auf fremdenfeindliche Formulierungen aus der CSU und auch der CDU, deren Politiker vor einem inhumanen Andienen an die rechtsextremen Vokabeln der AfD nicht zurückschreckten. Wache Menschen in Deutschland wehren sich dagegen, dass im „Land der Dichter und Denker“ Maximen über Bord geworfen werden: Ob es Kants kategorischer Imperativ ist, oder die Forderungen der Aufklärung, die in den Verfassungen von England, den USA, und auch im Deutschen Grundgesetz mit formuliert sind. Und nicht zuletzt jene christlichen Werte, auf die sich zumindest formal gerade Parteien wie die CSU und CDU berufen.

Die Bewegung #Seebrücke oder auch der Flashmob mit den Papierschiffchen scheint ein Aufbruch zu sein gegen eine inhumane Politik. Ein Aufbruch, der sich auch an den enormen Teilnehmerzahlen etwa in München gegen Hetze (ca 50.000) oder gegen das geplante neue Polizeigesetz sowohl in München als auch in NRW zeigt. Das zeigt auch, dass ein Großteil der Bürger abgehobene Politik von oben nicht widerspruchslos hinnehmen will und sich zumindest an einem konkreten Projekt, an einer konkreten Forderung beteiligen will.

Inzwischen ist die Bewegung international, am 1. September wird es eine #Seebrücke-Demo in Zürich geben. Und das wird erst aufhören können, wenn Frontex und auch die deutsche Marine den klaren Auftrag bekämen, Menschern aus dem Meer vor Libyen zu retten, wenn es sichere Wege nach Europa gäbe und ein Einwanderungsgesetz. Was zurzeit utopisch klingt.

Düsseldorfs Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD) hat wie berichtet mit den Stadtspitzen von Köln Henriette Reker (parteilos) und Ashok Sridharan (Bonn, CDU) in einem Brief an die Kanzlerin die Bereitschaft der Städte erklärt, Geflüchtete aus dem Mittelmeer aufzunehmen. Und gleichzeitig gefordert, die private Seenotrettung wieder aufzunehmen.OB Geisel hat nach einem Bericht der WZ daraufhin Drohungen gegen sich und seine Familie bekommen.

Inzwischen haben sich etliche Städte dem angeschlossen, so wie Stuttgart, Regensburg, Wuppertal, Potsdam. Und Stadtdirektor Burkhard Hintzsche berichtete, es gebe bereits eine Anfrage aus Italien, ob Düsseldorf die Aktion nicht gemeinsam mit dem Stadtoberhaupt von Palermo (Sizilien) organisieren wolle.

Zur Erinnerung: Im Grundgesetz steht „die Würde des Menschen“, nicht: die der Deutschen, oder der weißen Menschen … , da steht auch „Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.“

Artikel 1,

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

GG Artikel 2:

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. 3In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.“

(Autor: Jo Achim Geschke)

Links zum Video über den Protest #Seebrücke in Düsseldorf sowie zu Artikeln und Kommentaren:

#Seebrücke Düsseldorf: Rund 200 engagierte Düsseldorfer_innen, darunter Stadtdirektor Burkhard Hintzsche, Sigrid Wolf vom DGB Düsseldorf, Mitorganisator Oliver Ongaro (DSSQ), …..

www.facebook.com/neue.duesseldorfer.online.zeitung/videos/899661903555438/

#Seebrücke gegen die schleichende Wiederkehr des Faschismus – Demo morgen im Düsseldorf Medienhafen