Medizinische Versorgung von Flüchtlingen

Stadt schafft ärztliche Hilfe für Menschen ohne Papiere

Von Jo Achim Geschke |

Vorstellung der Clearingstelle (Text unten) / Foto Jo Achim Geschke, NDOZ.de

Sie haben Entzündungen, kaputte Füße, Probleme in der Schwangerschaft, jahrelang ertragen sie Tumore, verschleppen Krankheiten - aber sie können nicht zum Arzt oder ins Krankenhaus. Denn sie haben keine Papiere, keine Versicherung. Als erste Stadt hat Düsseldorf hauptamtliche Mitarbeiterinnen, die in einer sogenannten „Clearingstelle“ für die medizinische Versorgung papierloser Flüchtlinge eingerichtet. Beim Hilfeverein „Stay! Medinetz“ sind nun zwei halbe Stellen für soziale und medizinische Betreuung und Hilfe finanziert und ein Hilfsfonds für medizinische Notfälle mit 100.000 Euro ausgestattet.

Seit sieben Jahren hilft der Verein Stay! Medinetz“ ehrenamtlich Menschen, die keine Papiere haben, nicht als Asylsuchende anerkannt sind, die sich also rechtlich illegal hier aufhalten. „Sie können nicht zum Arzt gehen, oder in ein Krankenhaus, denn dann sind sie sofort von Abschiebung bedroht“, erläutert Oliver Ongaro vom Vorstand des Vereins „Stay!“. Aber jetzt hat die Stadt die Stellen und den Fonds eingerichtet, mit einem Beschluss im Ausschuss für Gesundheit und Soziales (AGS), und auf Betreiben der Ampelparteien SPD, Grüne und FDP.

„Wir sind begeistert, dass nun für drei Jahre eine Garantie da ist, dass wir uns dieser Menschen annehmen können“, sagt Mediziner Dr. Siegfried Joel, seit Jahren ehrenamtlich für das „Medinetz“ tätig. „Das gibt mehr Sicherheit, auch für unsere Patienten. Etwa 40 % unserer Patienten leidet unter Posttraumatischem Belastungsstörungen (PTB), so der Arzt, „es gibt praktische keine Frau aus Afrika, die nicht vergewaltigt nach Europa kommt“, meint er.

„Eine Frau hatte Schmerzen, sie hatte eine Eileiterschwangerschaft. Viele Frauen gehen trotz großer Schmerzen nicht zum Arzt, weil sie eine Abschiebung fürchten“, berichtet Simone Froschauer, Sozialarbeiterin bei der neuen eingerichteten „Clearingstelle“. „Früher hätten wir einige Tage gebraucht, um sie im Krankenhaus versorgen zu können, obwohl schnelle Hilfe nötig war.  Heute können wir diese schnelle Hilfe bieten“, sagt sie. Und Regine Heider, die zweite Sozialarbeiterin der Clearingstelle, berichtet von einer suizidgefährdeten Frau, die in die Psychiatrie gebracht werden musste. Früher wäre das schwierig gewesen, jetzt konnte sie schnell untergebracht werden. Ein Mann hatte kaputte Füße, „er ist damit jahrelang durch seine Wohnung gelaufen, bis es gar nicht mehr ging“, nennt  Froschauer weitere Beispiele. „Und eine Frau hatte einen sehr großen Tumor im Bauch – er hätte problemlos behandelt werden können, wenn sie frühzeitig zum Arzt hätte gehen können.“

Aus dem Fonds können die Kosten für Notfälle etwa im Krankenhaus beglichen werden. Kliniken der Diakonie, sagt Dr. Joel, ebenso in Benrath und Gerresheim, haben bisher schon „ganz unkonventionell“ in Notfällen geholfen. Zudem sind fast 40 Praxen niedergelassener Ärzte bereit, zu helfen, und auch die niedrigen Sätze anzurechnen.

Dennoch sind weitere Spenden an „Stay! Mednetz“  dringend nötig. Denn die Zahl der Beratungen in der Clearingstelle steigt rasant an, berichtet Sozialarbeiterin Froschauer. Früher kamen etwa 140 Papierlose pro Jahr zu Medinetz, „in diesem Halbjahr waren es schon ungefähr 70“, so Froschauer.

Es gibt keine genauen Zahlen darüber, wie viele Flüchtlinge ohne Papiere in Düsseldorf leben. „Es gibt Menschen, die seit 20 Jahren hier ohne Papiere leben“, weiß Oliver Ongaro. Die „Communities“ der verschiedenen Nationalitäten versorgen sie und helfen.

Die Hilfe für die Papierlosen „ist ja kein Luxusproblem. Es geht um das Leben von Menschen“, betont FDP-Ratsherr Rainer Mattheisen. Und SPD-Ratsherr Rajiv Strauß erläutert, wie es zu dem Beschluss kam: Nach der Kommunalwahl habe die Ampel zunächst „zügig“ einen anonymen Krankenschein einführen wollen. Doch dagegen gab es juristische Bedenken. „Die Verwaltung“, so Ratsfrau Angela Hebeler (Grüne), habe dann von sich aus vorgeschlagen, zwei halbe Stellen einzurichten und den Hilfsfonds. „Es geht darum“ so Hebeler, „dass Menschen medizinisch versorgt werden und dass die Clearingstelle beraten und dabei helfen kann, dass die Menschen ohne Papiere einen legalen Aufenthaltsstatus bekommen.“

Das auf zunächst drei Jahre angelegte Modellprojekt Clearingstelle, von „Stay! Medinetz“ mit entwickelt, sollte ein Vorbild auch für andere Kommunen werden und Nachahmer finden, hoffen die drei Ampelpolitiker.

Die rechtlichen Gründe für dieses Projekt erläutert die Verwaltungsvorlage für den AGS so:

„In der Modellphase liegen die jährlichen Kosten für die Clearingstelle mit der Förderung von einer vollen Stelle Sozialarbeit zuzüglich 25% einer Vollzeitstelle Verwaltungskraft zusammen bei aktuell maximal 75.000 Euro (zzgl. Steigerungsrate analog Rahmenvertrag).

Der kommunale Zuschussanteil für den Notfallfonds wird auf 100.000 Euro im Jahr begrenzt. Auf Basis eines anteilfinanzierten Notfallfonds für akute medizinische Versorgung wird STAY!Medinetz einen Finanzierungsanteil jeweils aus akquirierten Spendenmitteln und ehrenamtlichen medizinischen Leistungen beitragen. Mit diesem Vorgehen ist eine zwingende Vorgabe des Bundesministeriums des Innern (BMI) erfüllt.“

Im Foto von li.: Rajiv Strauß (SPD), Angela Hebeler (Grüne), Simone Froschauer (StayMedinetz), Rainer Mattheisen (FDP), Dr. Siegfried Joel, Regine Heider (Stay Medinetz) bei der Vorstellung der Clearingstelle / Foto Jo Achim Geschke, NDOZ.de

((Text und Fotos Jo Achim Geschke)