SPD Parteitag zu Flüchtlingen mit intensiver Debatte

Wohnen für alle - Fluchtursachen bekämpfen - allen notleidenden und armen Menschen helfen

Von Jo Achim Geschke |

Parteitag der SPD zum Thema Flüchtlinge / Foto Jo Achim Geschke NDOZ.de

Aktueller kann ein Parteitag nicht sein: Im Mai als Thema beschlossen, tagte am Freitagabend 30. Oktober, der SPD-Parteitag mit fast 200 Delegierten zum Thema Flüchtlinge. Und selten wurde in den vergangenen Jahren so intensiv und kritisch auf einem Parteitag diskutiert. Dabei wurden ebenso die Fluchtursachen kritisch benannt wie die Forderung aufgestellt, dass bezahlbare Wohnungen für alle Bürger der Stadt gebaut werden müssen.

Nach mehr als vier Stunden standen die die Leitlinien für die Flüchtlingspolitik der Düsseldorfer SPD fest. Und sie sollen bis hinein ins Land und auch im Bund in Berlin Anstöße geben. Adressat der Leitlinien zu Flüchtlingspolitik und Wohnen ist nicht nur die Düsseldorfer Politik – es sind Bundestagsfraktion, Bundesvorstand, Landesvorstand und -fraktion, Bundesregierung, Landesregierung, OB und Stadtverwaltung. SPD Vorsitzender Andreas Rimkus stellte zu Beginn klar: Es gilt nicht nur der Satz „Wir schaffen das – wir als SPD sagen, wie wir das schaffen, und was wir schaffen wollen.“

 

Nils Annen, außenpolitischer Sprecher der SPD Bundestagsfraktion, zitierte im Eingangsreferat Willy Brandt : Man müsse dafür sorgen, dass es den Nachbarn gut geht – aber auch den Nachbarn der Nachbarn. Damit war das Thema Syrienkrieg, Libyen, aber auch Äthiopien und Eritrea angerissen. Und der Versorgung der Millionen Flüchtlinge im riesigen Lager in  Jordanien, wo die Weltgemeinschaft (UNO) versagt und sogar die Lebensmittelzahlungen von 30 auf 15 Dollar pro Kopf gekürzt hat.

Annen ließ ein brisantes Thema leider aus: Das Versagen der EU bei „Frontex“, der versagten Hilfe für Tausende Flüchtlinge auf dem Mittelmeer, wo die EU die Mittel nicht mehr bereit stellt, um schon vor Libyen die Flüchtlinge aus Seenot zu retten und wo weiterhin Tausende ertrinken.

Karl-Heinz Krems, stellvertretender Parteivorsitzender der Düsseldorfer SPD und maßgeblicher Autor des Leitantrags, machte allerdings deutlich, dass es der falsche Weg sei, dass Mittelmeer dicht zu machen. Und betonte angesichts von Forderungen vom Innenminister de Maizière und anderer etwa aus der CSU, dass die SPD keinen Angriff auf das Asylrecht zulassen werde.

Und Krems betonte ebenso in der weiteren Diskussion zu den Leitlinien, etwa zum sozialen Wohnungsbau und mit Blick auf rechte Parolen: „Es darf nicht dazu kommen, dass hier lebende Menschen, denen es schlecht geht, ausgespielt werden gegen Menschen, die hierher kommen, und denen es auch schlecht geht... Wir müssen anerkennen, dass es auch in Düsseldorf Altersarmut und Kinderarmut gibt, dass schon vor Jahren Kinder im Winter mit Sandalen zur Schule kamen und kein Pausenbrot hatten.“

In der Diskussion wurde gefordert, dass sich große Konzerne wie Nestlé (das Wasser in Äthiopien teuer verkauft), an den Kosten der Welthungerhilfe beteiligen sollten. Aber auch, dass deutlich gemacht werden müsse, warum der Sparkurs von Merkel und Schäuble etwa sozialen Wohnungsbau verhindert habe, und dass die SPD klar machen müsse, warum einige Hilfsprojekte eben nicht funktionierten.

Ex Regierungspräsident Jürgen Büssow benannte dann in der Diskussion Fluchtursachen und forderte  vor allem von der Bundespartei  ein klares Konzept. Er kritisierte ebenso die Diskussion um Obergrenzen bei Sigmar Gabriel und Thomas Oppermann aus der Bundestagsfraktion.  Die EU müsse dafür sorgen, dass Staaten, in denen etwa Sinti und Roma verfolgt würden, nachdrücklich an die humanitären Grundlagen der EU erinnert würden. Dass die Türkei als „sicheres Herkunftsland“ eingestuft werde, das sei unmöglich, betonten mehrere RednerInnen.

 „Ich möchte keine Änderung des Asylrechts mit Litauen, Ungarn, oder Polen!“, so Büssow. Ungerechte, unfaire Handelsverträge verhinderten zudem in vielen Staaten, dass  sich die Bevölkerung entwickeln könne – auch das müsse abgeschafft werden, so Büssow mit unausgesprochenem Hinweis auf TTIP.

Das rechtskonservative Bürgertum und  die AfD, mahnte Büssow, schlössen sich zusammen. Es gebe in Deutschland 10 bis 15 Prozent Menschen, die in prekären Verhältnissen leben – sie müssten sehen, dass die Politik etwas für sie tue, dass wirklich Sozialwohnungen gebaut würden, damit sie sich nicht von der AfD einnebeln ließen.

Horst Gieseler, langjähriger SPD-Politiker und sehr aktiv in der Flüchtlingshilfe, kritisierte schließlich aus leidvoller Erfahrung den „unerträglichen bürokratischen Hindernislauf“, um Flüchtlingen zu helfen. Kritisierte, dass es Monate dauerte, bis Flüchtlinge in Sprachkurse kommen könnten, dass Lehrer für Sprachkurse womöglich schlecht bezahlt werden, dass Berufsabschlüsse viel zu langwierig anerkannt würden.   Das alles müsse schnellstens geändert werden, so seine Forderungen an das Land und den Bund.

Die Nachrichten am gleichen Abend

Die Aktualität des Themas und die grausame Realität auf dem Parteitag wurde durch die Nachrichten am gleichen Abend fruchtbar deutlich: Während der SPD Parteitag zum Thema Flüchtlinge debattierte,  saßen in Wien diplomatische Vertreter aus dem Iran, Saudi-Arabien, Irak mit den USA und Russland und europäischen Staaten erstmals gemeinsam an einem Tisch, um über das Ende des Syrienkriegs zu verhandeln.

Während der SPD-Parteitag  intensiv über das Thema Flüchtlinge und auch über Fluchtursachen diskutierte, ertranken vor der Insel Lesbos mindestens 17 Kinder und Dutzende Erwachsene – nur einige von Tausenden bisher.

Benedict Cumberbatch, bekannt aus der Fernseh-Serie “Sherlock”, erinnerte nach einer Aufführung von Hamlet in London daran, dass Tausende  Flüchtlinge täglich nach Lesbos kamen, dass dieses Jahr 3300 Menschen im Mittelmeer ertrunken sind, und zitierte aus einem Gedicht des Somalischen Poeten  Warsan Shire : „You have to understand: No one puts children in a boat unless the water is safer than the land.”

„Wir müssen begreifen: Niemand setzt Kinder in ein Boot, es sei denn, das Meer ist sicherer als das Land.“

(Text Jo Achim Geschke, NDOZ.de)

Zu weiteren Informationen :

www.spd-duesseldorf.de/html/-1/welcome/index.html

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