Stadtfinanzen 2016 – Analyse und Kommentar

Schuldenfreiheit ein Mythos – Opposition argumentiert aus dem Glashaus

Von Jo Achim Geschke |

OB Thomas Geisel und Kämmerin Dorothee Schneider bei der Pressekonferenz / Foto Stadt, Ingo Lammert

Der Mythos der Schuldenfreiheit hält sich hartnäckig, zumindest in den Formulierungen. Die Fakten dazu geben das seit Jahren nicht mehr her. Denn seit Jahren ist die Rücklage der Stadt vor allem durch aufwendige Investitionen in unterirdische und Glanz-Projekte abgeschmolzen. Dann kam die allgemeine Einsicht, dass es so nicht weitergeht – und OB Thomas Geisel (SPD) wurde mehrheitlich gewählt. OB Geisel stellte jetzt, nach der scheinheiligen Aufregung um 40 Millionen Euro, mit Kämmerin Dorothee Schneider die Finanzlage der Stadt dar.

Der Stadt fehlen für Rückzahlungen von Gewerbesteuern (wie berichtet) kurzfristig 40 Millionen €. Die sollen von der Messe, an der die Stadt Anteile hat, geliehen werden, da dies zu günstigeren Zinsen führt als bei Geldinstituten. Der Überbrückungskredit soll laut Geisel und Kämmerin Dorothee Schneider in wenigen Monaten zurückgezahlt werden, wenn beispielsweise die nächsten Margen an Gewerbesteuern in die Stadtkasse geflossen sind. Wegen dieses Kredits wird – vor allem von der CDU – bereits der Untergang des schuldenfreien Abendlands heraufbeschworen.  Allerdings sitzt die CDU da in einem gläsernen Bankschalter. Und wer im Glashaus sitzt ...

Tatsächlich schrumpfte das Liquiditätspolster der Landeshauptstadt von 561 Millionen Euro im Jahr 2010 auf 155 Millionen Euro im Jahr 2014. Auch weil bei den Investitionen Ausgaben vor allem in Maßnahmen wie den Kö-Bogen-Tunnel geflossen sind. "Dabei unterblieben wirklich wichtige Investitionen – beispielsweise in Schulen und der Daseinsvorsorge", so Oberbürgermeister Geisel. "Es stellt uns vor besondere Herausforderungen, diese Versäumnisse nun nachzuholen."

Das entspricht den Tatsachen. NDOZ.de hat bereits vor zwei Tagen darauf hingewiesen und für eine Rückkehr zur Sachlichkeit plädiert. Denn noch immer verklärt der Mythos einer Schuldenfreiheit die Diskussionen – nicht nur bei der Opposition.

OB Geisel verwies darauf, dass die konsolidierte Jahresbilanz der Landeshauptstadt Düsseldorf für 2012 Verbindlichkeiten bei Kreditinstituten in Höhe von über einer Milliarde Euro ausweist. Diese entfallen insbesondere auf die städtischen Töchter Rheinbahn, IDR und Hallengesellschaft. Heißt: Der Konzern Stadt mit seinen Tochtergesellschaften steht seit Jahren in der Kreide, sonst hätte beispielsweise die Rheinbahn nicht funktioniert und der Stadtentwässerungsbetrieb nicht so gut die Känale sanieren können.

Oberbürgermeister Thomas Geisel: "Der Begriff der Schuldenfreiheit war immer schon eine Frage der Definition. So verweist das Statistische Landesamt (IT.NRW) beispielsweise auf langfristige Verbindlichkeiten und Schulden des Stadtentwässerungsbetriebes in dreistelliger Millionenhöhe."

Laut Aufstellung der Kämmerei hat der Rheinbahn-Konzern Verbindlichkeiten von rund 335 Millionen, der Stadtentwässerungsbetrieb von rund 183 Millionen, die Multifunktionsarena-Gesellschaft von rund 127 Millionen Euro. Die Arena-Gesellschaft ist übrigens auch so ein Erbe aus den Vor-Geisel-Zeiten. Das und andere finanzielle, sagen wir: Missgeschicke - denn die CDU ist ja jene, „die Finanzen kann“ laut Werbeslogans - versucht allerdings CDU-Ratsherr Andreas Hartnigk mit markiger Rhetorik unter den Tisch zu kehren.

Laut Kämmerei ist die Nettofinanzposition der Stadt (inklusive der Rücklagen) von  561 Millionen Euro im Jahr 2010 auf 118 Millionen € im Jahr 2015, also dem letzten von der CDU mit bestimmten Haushalt, abgeschmolzen. Nimmt man nun die Investitionszahlungen der Stadt dazu (Zahlen der Kämmerei), nämlich 296 Millionen € für den Kö-Bogen, 700 Millionen für die Wehrhahnlinie, dann platzt die Kaugummiblase der Rhetorik  von „pleitegefährdet“ und „Pleite“ etc (Originalton CDU) doch ziemlich knallig. Und zeigt auch eine Lücke im Kurzzeitgedächtnis für die Stadtgeschichte an.

Auch OB Geisel führt zur nicht gerade rosigen Lage der Stadtfinanzen an, die „Hauptgründe dafür“ seien „die seit Jahren abgeschmolzene Liquidität und ein Investitionsstau bei Schulen, Bädern und der Infrastruktur.“  Siehe oben ....


Gleichzeitig kündigte Oberbürgermeister Geisel an, dass sorgfältig darauf geachtet werde, wo sich für die Stadt Ausgaben reduzieren und Einnahmen realisieren lassen. Als Beispiel führte er die im Haushalt vorgesehene Ausschüttung der Stadtsparkasse Düsseldorf an, die "absolut ausschüttungsfähig" sei. In Hinblick auf den Grundstücksverkauf für den Kö-Bogen II verwies er darauf, dass "auch weiterhin alle Anstrengungen unternommen werden, bei der Veräußerung städtischer Vermögenswerte den maximalen Preis zu erzielen." Etwa 70 Millionen € beim Kö-Bogen II statt 35 Millionen. Auf der Ausgabenseite sei man bereits auf Konsolidierungskurs – daher werden "Luxuslösungen" zum Beispiel ein U81-Tunnel nicht angestrebt, so die Stadtspitze. Das spare 30 Millionen €. Den um ein Vielfaches teureren Tunnel am Nordstern hatte übrigens die CDU favorisiert.

Übrigens:  Die Ampel-Koop-Partnerinnen Grüne und sogar die  FDP sehen den 40-Mio-Kurzkredit ziemlich gelassen (NDOZ.de berichtete). Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) sagte in der WDR-Lokalzeit gestern Abend ziemlich lässig, das werde eben kurzfristig zurück gezahlt, und sei ein auch früher durchaus schon geübtes Verfahren.

(Text Jo Achim Geschke mit Material der Stadtkämmerei)

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